Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
er hinzu: »Sie wollen unsere Gastgeber doch nicht beleidigen, oder?«
Ricarda griff nach dem Muttonbird und bereute es nicht. Das Fleisch war zart und schmeckte gut.
»Übrigens dürfen nur ausgewählte Maori die Muttonbirds sammeln. Familien niederen Ranges erhalten keine Erlaubnis dazu. Dadurch wird sichergestellt, dass die Art nicht ausgerottet wird.«
Ricarda ließ den Blick über die Versammlung gleiten. An der Kleidung war keine Rangordnung erkennbar. Ein Indiz war vielleicht die Sitzordnung. Außerdem fiel Ricarda auf, dass sich die Tätowierungen unterschieden. Der Häuptling hatte die prachtvollste, alle anderen hatten entweder weniger Muster oder weniger Gesichtstätowierungen.
Keine der Frauen hatte ein vollständig tätowiertes Gesicht. Jene, die eine Verzierung trugen, trugen sie am Kinn wie Moana, wobei es auch dort Unterschiede gab. Moanas Tätowierung bestand aus zarten Blätterranken, andere ähnelten Lilienblüten oder den Spitzen von Enterhaken.
Den Rest des Abends verbrachten sie mit Essen und Gesprächen, wobei die Maoriworte wie exotische Schmetterlinge um sie herumflatterten. Jack versuchte, hier und da zu übersetzen, und Ricarda wurde klar, dass auf diesem Ende der Welt über die gleichen Themen wie in Europa gesprochen wurde: Die Frauen unterhielten sich über Hochzeiten, über die Kinder und die häuslichen Pflichten, während bei den Männern über die Jagd, das öffentliche Ansehen und das Zusammenleben mit den Nachbarn debattiert wurde. Die kriegerischen Zeiten waren vorbei. Ab und an gab es kleinere Konflikte unter den Stämmen, aber da hier die Rechtsprechung des Commonwealth galt, konnte sich ein Krieger nicht mehr das Leben eines Feindes holen, ohne damit selbst den Kopf in die Schlinge zu stecken. Die Ehre und das Recht auf Rache waren für die Maori dennoch weiterhin wichtige Werte. Ricarda fiel der Angriff auf Hooper wieder ein.
Als sie zu Jack hinüberblickte, bemerkte sie, dass er den Blick wachsam über die Gesichter der Männer schweifen ließ. Suchte er nach dem Mann, der Hooper verletzt hatte?
Bevor sie ihn fragen konnte, machte ihr Begleiter sie auf eine schwangere junge Frau aufmerksam, die in der hinteren Reihe saß. Ihr Gesicht war nicht tätowiert, und ihre langen schwarzen Haare flossen seidig über ihre Schultern. Ihre Schwangerschaft, so schätzte Ricarda, war bereits über den siebten Monat hinaus.
»Erinnern Sie sich an den Streit, den ich mit Bessett auf Mary Cantrells Party hatte?«, fragte er.
Ricarda nickte.
»Dieses Mädchen war seine Angestellte. Nur wenige Monate später war es schwanger. Bessett hat es fortgeschickt, als er das erfuhr.«
Ricarda war entsetzt. Offenbar nahmen sich gewisse Männer immer noch unerhörte Rechte heraus.
»Und was wird nun aus ihr? In Deutschland haben es Frauen, denen so etwas widerfährt, sehr schwer.«
»Leicht wird es für Taiko auch nicht werden, aber die Dorfgemeinschaft hat sie wieder aufgenommen. Natürlich hat sie an Ansehen verloren, aber das kann sie zurückgewinnen.«
Während Jack redete, beugte sich ein junger Mann zu Taiko hinunter und reichte ihr eine Schale mit Essen.
»Und wer ist er?«
»Ihr Bruder. Er hat geschworen, Bessett das Fell über die Ohren zu ziehen. Hoffen wir, dass er sich zurückhält. Eigentlich müsste sich Bessett einem haka stellen, aber das wird er gewiss nicht tun.«
»Soll das heißen, er braucht sich auch nicht für das Kind zu verantworten?«
»Nach unseren Maßstäben schon, aber er ist ein Spross der englischen Aristokratie. Er wird gewiss Ausflüchte aus dieser Situation finden.«
»Und Bessetts Frau?«
Jack zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, sie weiß, was ihr Mann so treibt. Aber sie ist eine englische Lady und sieht vermutlich geflissentlich über die Kapriolen ihres Gatten hinweg. Es würde ihr schon wegen des Skandals bestimmt nie einfallen, sich öffentlich zu beschweren.«
Ricarda fragte sich, ob sie so leben wollte. Andererseits musste sie zugeben, dass die meisten Frauen auf ihre Männer angewiesen waren, weil sie nie einen Beruf erlernt hatten, um ihren Unterhalt selbst zu bestreiten. Ricarda erinnerte sich an ihre Mutter, die sich häufig in Migräneanfälle flüchtete. Gewiss hatte Ricardas Vater sie nie betrogen, aber sie hatte sicher auch eheliche Sorgen, die sie bedrückten.
»Vermutlich ist es für Taiko sogar von Vorteil, wenn Bessett das Kind nicht anerkennt. Schlimmstenfalls könnte er Ansprüche darauf erheben, und ich halte es in jedem
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