Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
Sachbeschädigung und Freiheitsberaubung bekommen«, antwortete Jack, offenbar froh darüber, dass sie ein Thema anschnitt, bei dem er sicherer war. »Es könnte nicht schaden, wenn Sie eine Aussage machen würden, Ricarda. Die Fahrt in die Stadt könnten Sie gleich nutzen, um Ihre Vorräte ein wenig aufzustocken.«
»Aber der Mann hat mir doch nichts getan. Eher sind Sie der Geschädigte mit dem getöteten Vieh.«
»Er wollte Ihnen aber etwas antun. Ich habe dem Constable bereits davon berichtet, sonst hätte er Hooper womöglich laufen lassen.«
Ricarda war mulmig zumute. Vielleicht hat Hooper Freunde, die sich dafür am mir rächen werden, überlegte sie. Eigentlich habe ich allmählich genug von solchen Zwischenfällen. Andererseits ... »Also gut, wenn es sein muss, mache ich meine Aussage«, erklärte sie dennoch.
Jack strahlte. »Bestens! Ricarda, gestern Abend ist mir eine Idee gekommen.«
»Lassen Sie hören!«
»Ich dachte, dass Sie nach dem Schrecken ein wenig Erholung gebrauchen könnten. Und Sie wollen Ihre neue Heimat doch bestimmt ein wenig näher kennenlernen, oder?«
Ricarda nickte.
»Dann würde ich einen Ausflug zu den Wairere Falls vorschlagen. Wir könnten morgen in aller Frühe aufbrechen. Ich bin sicher, dass Ihnen der Anblick gefallen wird.«
Ricarda schoss nur ein Gedanke durch den Kopf: Dort draußen habe ich ihn für mich allein.
Ein Schauder der Erregung erfasste sie. Ihre Wangen begannen zu glühen, denn sie fürchtete, dass Jack spürte, was in ihr vorging.
»Was meinen Sie zu meinem Vorschlag?«
»Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen. Wie lange werden wir denn unterwegs sein?«
»Zwei bis drei Tage, je nachdem, wie schnell wir vorankommen. Bis zu den Falls ist es ein ziemliches Stück. Doch Sie müssen sie unbedingt gesehen haben. Wenn Ihre Praxis erst wieder brummt, werden Sie wohl so schnell nicht mehr dorthin kommen. Der Arzt, der sich um meine Eltern gekümmert hat, ist sogar an Sonn- und Feiertagen zu uns rausgefahren, als es ihnen besonders schlecht ging.«
»Doch nicht etwa Doherty?«
Jack schüttelte den Kopf. »Sein Name war Fraser. Er hat die Praxis an ihn übergeben. Das war vor etwa zehn Jahren. Doherty war damals auch schon in der Stadt, hat aber wegen des alten Arztes nur wenige Patienten gehabt.«
»Jetzt kann ich verstehen, warum er so vehement gegen mich kämpft. Er erinnert sich noch gut an seine Not. Allerdings ist er jetzt derjenige mit der Villa und den vielen Patienten.«
»Spätestens seit Sie Ingram Bessett wieder zum Leben erweckt haben, weiß Doherty, was er von Ihnen zu erwarten hat. Vielleicht fürchtet er sich davor, wieder abzusinken.«
»Aber Tauranga expandiert doch, und ich denke nicht, dass die Einwandererflut von heute auf morgen abebben wird«, hielt Ricarda dagegen. »Im Gegenteil. Wenn sich die Zustände in Europa nicht ändern, werden sich noch mehr Menschen hier niederlassen. Bestimmt wird Tauranga sich eines Tages über die Landzunge hinaus ausbreiten.«
»Dann befindet sich meine Farm irgendwann in der Mitte der Stadt«, gab Jack schmunzelnd zurück, aber er schien nicht daran zu glauben. »Ich weiß nicht, ob ich mir das wünschen soll. Wenn sich die Stadt ausdehnt, wird der Platz für die Maori auch geringer. Und eines Tages werden sie nichts anderes mehr sein als eine Attraktion für Reisende. Davor fürchte ich mich.«
Ricarda dachte an die fröhlich plaudernden und singenden Menschen zurück und stimmte ihm zu.
In diesem Moment rollte eine Kutsche auf den Farmhof. Ein Mann stieg aus und strebte auf sie zu.
»Sehen Sie, da geht es schon los«, raunte Jack. »Ich wette, der Herr will zu Ihnen. Packen Sie heute Abend ein paar Sachen für die Reise zusammen; morgen reiten wir.«
»Einverstanden.«
Während Ricarda dem Besucher gespannt entgegensah, zog Jack sich ins Farmhaus zurück.
»Mein Name ist Johnston«, stellte sich der ältere Herr mit dem weißen Vollbart vor. »Meine Frau möchte gern zu Doktor Bensdorf.«
Ricarda lächelte freundlich. »Ich bin Doktor Bensdorf. Bringen Sie Ihre Frau zu mir, ich bin sofort für sie da.«
Während sich Ricarda um ihre Patientin kümmerte, holte Jack sein Pferd aus dem Stall und machte sich auf den Weg zum Maoridorf.
Er wollte sich unbedingt bei Moana entschuldigen. Und gleichzeitig auch bedanken. Ohne ihre weise Einschätzung wäre er Hooper nicht auf die Schliche gekommen. Was hat sich der Kerl eigentlich dabei gedacht, fragte sich Jack, während er durch den Busch
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