Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
aufstehen und auch nicht sitzen.«
»Das kommt von dem Schnitt«, entgegnete Ricarda. »Wenn er verheilt ist, verschwinden die Schmerzen und Sie können wieder alles tun.«
»Auch weitere Kinder kriegen? Moana sagt, du hast tief in mich hineingeschnitten.«
»Ja, auch Kinder bekommen.« Ricarda erinnerte sich an Berichte über Kaiserschnittpatientinnen, die weitere Kinder sogar auf dem natürlichen Weg geboren hatten, und gestattete sich diese Zuversicht.
»Im Haus von Mr Bessett hat mich niemand so förmlich angesprochen«, sagte sie lächelnd. »Sag Taiko zu mir.«
»Dann sag du Ricarda zu mir.«
Die beiden Frauen lächelten einander an.
»Erlaubst du, dass ich deine Wunde untersuche?«, fragte Ricarda.
Taiko nickte und hob ihr Gewand. Die Wunde hatte einen roten Rand, aber das war nichts Ungewöhnliches. Professor Pfannenstiel wäre stolz auf mich, dachte Ricarda, während sie versuchte, Taikos Temperatur zu erfühlen. Auch die schien normal zu sein.
»Wie geht es dem Kind?«, fragte Ricarda, nachdem sie Taiko einen neuen Verband angelegt hatte. »Hast du schon einen Namen für sie?«
Taikos Miene verfinsterte sich.
Ricarda blickte zu Moana, die sich im Hintergrund gehalten hatte. Habe ich etwas falsch gemacht?, fragte sie sich insgeheim.
Doch dann entspannte sich die Miene der jungen Frau wieder. »Nein, noch hat sie keinen Namen. Aber ich habe Zeit, um darüber nachzudenken«, antwortete Taiko schließlich. »Was bedeutet Ricarda in deiner Sprache?«
Ricarda war überrumpelt. Noch nie hatte eine Frau in Erwägung gezogen, ein Kind nach ihr zu benennen.
Die Bedeutung ihres Namens kannte sie allerdings. Ihr Vater hatte sie ihr genannt, als sie nachgefragt hatte.
»Ricarda bedeutet ›die wohlhabende Starke‹.«
»Stark soll meine Tochter auch sein.«
Moana spürte Ricardas Verlegenheit. »Du noch Zeit haben für Name. Erst gesund werden«, erklärte sie.
Aber Taiko schien ihre Entscheidung bereits getroffen zu haben, auch wenn sie nicht laut darauf beharrte.
Nachdem Ricarda auch das Kind untersucht hatte und feststellte, dass es völlig gesund war, verabschiedete sie sich von Taiko und verließ zusammen mit Moana die Hütte.
»Du haben Zeit, rongoa machen zu lernen?«, fragte die Heilerin eingedenk ihres Versprechens.
»Ja, ich habe Zeit«, antwortete Ricarda erfreut. »Und ich würde sehr gern von dir lernen.«
Borden saß am Schreibtisch und zählte die Einnahmen des vergangenen Tages. Wie sehr sein Job doch dem eines gewöhnlichen Kaufmanns glich! Er seufzte, als ihm bewusst wurde, dass er dennoch nie die Achtung erfahren würde, die den Pfeffersäcken zuteil wurde. Er tröstete sich damit, dass sein Gewerbe im Gegensatz zu manch anderem krisensicher war.
Seit Ricarda Bensdorf aus der Stadt verschwunden war, besuchten wieder mehr Kunden sein Lokal. Die Bedenken der Ärztin hatte er allerdings nicht vergessen. Aber solange sie keine direkte Bedrohung bedeutete, würde er sie in Ruhe lassen. Seine Rachepläne galten ohnehin eher Manzoni. Wenn sich die Gelegenheit ergab, würde er es dem italienischen Bastard heimzahlen, dass er ihn in aller Öffentlichkeit der Lächerlichkeit preisgegeben hatte.
Der Gedanke an diesen Kerl trieb ihn von seinem Platz hoch und ans Fenster, von dem aus er die gesamte Straße und Teile des Strands überblicken konnte.
In diesem Augenblick ritt der Farmer seelenruhig an seinem Etablissement vorbei. Borden war davon zunächst überrascht, doch dann ballte sich eine unheimliche Wut in ihm zusammen. Plötzlich hatte er die erlittene Schmach wieder ganz deutlich vor Augen. Noch Wochen später hatten ihn Leute gefragt, was denn da los gewesen sei. Borden würde Manzoni am liebsten das Genick umdrehen. Aber der Farmer gehörte leider nicht zu seinen Kunden, und den Mut, sich auf dessen Anwesen zu begeben, fehlte ihm.
Und jetzt tauchte der Italiener hier auf.
Ist das ein Zeichen?, fragte er sich. Ich sollte ihn mir gleich vorknöpfen. Dann wäre meine Ehre endlich reingewaschen.
Borden entschied sich innerhalb weniger Sekunden. Er ließ alles stehen und liegen, nahm seinen Revolver an sich und verließ sein Arbeitszimmer. Er stürmte die Treppe hinunter und strebte dem Hinterausgang des Lokals zu, ohne dem Barkeeper eine Erklärung zu geben. Wenig später saß er auf seinem Lieblingspferd und folgte Manzonis Fährte.
Als er in die Spring Street einbog, konnte er den Farmer gerade noch entdecken. Nach einer Weile wurde klar, dass Manzonis Ziel nicht direkt in
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