Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
der Lust.
Gegen Morgen lagen sie erschöpft, aber überglücklich beieinander und beobachteten durch das Fenster die rot gefärbten Wolken, die über die Farm hinwegzogen. Während Ricarda Jack versonnen die Brust streichelte, spielte er mit ihrem Haar.
»Worüber denkst du nach?«, fragte er.
»Über uns. Über diesen Ort. Vielleicht sollten wir ihm einen Namen geben.«
»Und welchen schlägst du vor?«
Ricarda überlegte einen Moment lang, dann fielen ihr die Bäume ein. »Die Kauris sehen aus wie zwei Liebende, die nicht mehr voneinander lassen wollen.«
»Dann würde ich Te Aroha als Name vorschlagen«, meinte Jack und zog sie fest an sich.
»Und was bedeutet das?«
»Die Liebe. Und wenn du mich fragst, ist das der einzig richtige Name. Ich liebe die Farm, und vor allem liebe ich dich.«
Ricarda wusste nicht, was sie sagen sollte. Einmal mehr war sie überwältigt von ihren Gefühlen für Jack. Niemals hätte sie sich träumen lassen, dass ihr ausgerechnet in dieser rauen Umgebung ein so empfindsamer Mann begegnen würde. Wohlig schmiegte sie sich in seine Arme.
So gern sie es auch wollten, leider konnten sie nicht tagelang beieinander im Bett liegen bleiben. Jack musste nach seiner Herde sehen, und auf sie warteten gewiss wieder Patienten.
»Und was hat meine hübsche Frau Doktor heute vor?«, fragte Jack, während er ihren Scheitel küsste.
»Ich werde erst in die Praxis und später ins Dorf gehen, um nach der jungen Mutter zu sehen«, antwortete Ricarda. »Und du?«
»Ich habe große Lust, Bessett aufzusuchen und ihm wegen Hooper auf den Zahn zu fühlen. Mir ist da so ein Gedanke gekommen.«
»Und welcher?«
»Dass Hooper von Bessett angestiftet worden sein könnte.«
»Bessett wird das ganz sicher nicht zugeben.«
»Ich weiß, aber vielleicht sollte ich ihn dennoch zu einem Gespräch fordern.«
»Dann könntest du ihm auch gleich verraten, dass er eine Tochter bekommen hat.«
»Das werde ich nicht tun!«, gab Jack zurück. »Für das Mädchen wird es besser sein, wenn es im Dorf aufwächst. Außerdem würde Bessett sich ohnehin keinen Deut um die Kleine scheren.«
»Vielleicht entdeckt er ja Vatergefühle.«
Jack schüttelte den Kopf. »Da, wo andere Menschen ein Herz haben, trägt Ingram Bessett einen Stein mit sich herum. Taiko und ihr Kind werden besser ohne ihn leben. Außerdem hätte es fatale Folgen, wenn er sich im Dorf blicken ließe. Du erinnerst dich doch noch an Taikos Bruder, oder?«
Ricarda nickte.
»Er würde Bessett für die Entehrung seiner Schwester bestrafen. Nein, es ist besser, wenn er es nicht weiß.«
Damit küsste Jack Ricarda noch einmal und erhob sich aus dem Bett.
Da es am Vormittag in der Praxis sehr ruhig gewesen war, beschloss Ricarda, ihren Besuch im Dorf vorzuverlegen. Sie packte alles, was sie für eine Wundversorgung brauchte, in ihre Tasche und machte sich dann auf den Weg. Zu Fuß dauerte es zwar ein wenig länger, aber sie genoss die Bewegung.
Eine Stunde später tauchte das Dorf vor ihr auf. Da die Wächter sie inzwischen kannten, ließen sie sie ohne Beanstandung durch.
Die Frauen hatten sich auf dem Dorfplatz versammelt. Offenbar waren sie gerade dabei, das Mittagessen zuzubereiten.
Moana war nicht bei ihnen. Wahrscheinlich hielt sie sich in ihrer Hütte auf.
Die Frauen musterten sie neugierig, während ein Mädchen sich von den anderen löste und zu Moanas Behausung lief.
Wenig später erschien die tohunga und neigte den Kopf zum hongi.
»Was dich herführen, Ricarda?«, fragte sie dann.
»Ich möchte nach Taiko sehen. Ich hoffe, es geht ihr gut.«
»Komm!«, bat Moana und führte Ricarda zu der Hütte, in der Taiko mit ihrem Bruder lebte.
Mit dem jungen Mann wechselte Moana ein paar Worte, worauf er die Behausung mit einem ehrfürchtigen Gruß für Ricarda verließ. Offenbar hatte Moana ihm erzählt, dass sie seine Schwester gerettet hatte.
Taiko lag auf einer Matte, während das kleine Mädchen in einer Art Hängematte aus Tüchern tief und fest schlief.
Ricarda hockte sich neben die junge Mutter. »Wie geht es Ihnen?«
Taiko wirkte von den Strapazen der Operation noch geschwächt. Sicher würde es eine Weile dauern, bis sie sich ganz erholt hatte. Doch wenn es so weit war, würde sie wieder in voller Schönheit strahlen. Vielleicht würde eines Tages ein Mann darüber hinwegsehen, dass sie ein Kind von einem pakeha hatte.
»Die Wunde schmerzt«, antwortete die junge Frau. »Aber Moana gibt mir rongoa. Ich kann noch nicht
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