Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
stabil war, sank sie auf die Knie. Tränen schossen ihr in die Augen, während sie am ganzen Körper vor Erschöpfung zitterte. Sie hatte es geschafft! Jetzt konnte sie nur noch hoffen, dass Taiko den Blutverlust überlebte.
Das Kind wimmerte im Hintergrund, während Moana es wusch.
Ricarda, die sich inzwischen wieder ein wenig gefangen hatte, beugte sich über die Mutter und strich ihr über die Stirn. »Wie lange wirken rongoa ?«, fragte sie Moana, die das Kind auf eine Decke gelegt hatte, damit die Frauen es betrachten konnten.
»Manchmal halben Tag, manchmal kürzer.«
Da Taiko gleichmäßig atmete und ihr Herz beim Abhören kräftig schlug, schöpfte Ricarda Hoffnung. Nachdem sie noch einmal die Naht kontrolliert hatte, verließ sie die Hütte. Tief durchatmend lehnte sie sich gegen die Außenwand und schloss die Augen.
Das hätte auch schiefgehen können, dachte sie.
Eine sanfte Berührung ihrer Wange veranlasste Ricarda, die Augen zu öffnen. Sie lächelte schwach. »Kein schöner Anblick, nicht wahr?«
»Du siehst aus, als hättest du ein Schaf geschlachtet«, antwortete Jack. »Aber so, wie es sich angehört hat, ist alles gut gegangen.«
Ricarda nickte. »Taiko hat eine Tochter.«
»Schätze mal, dass die Maori dich jetzt in ihren Stamm aufnehmen.«
»Wir hatten sehr großes Glück«, erklärte Ricarda. Trotz Erschöpfung konnte sie ihren Stolz nicht verhehlen. »Einen Kaiserschnitt ohne Anästhesie durchzuführen ist praktisch Wahnsinn. Mein Professor in Zürich hätte mich sofort aus dem Operationssaal gejagt, wenn ich etwas Derartiges versucht hätte.«
»Du bist hier nicht in Zürich.«
»Ich weiß. Gerade deshalb war es ja so riskant. Ich konnte die Instrumente nur flüchtig mit Karbol desinfizieren, und die Wunde ...«
Jack zog sie in die Arme, küsste ihre Stirn und brachte sie so zum Verstummen. »Mach dir nicht zu viele Gedanken, Ricarda! Überlass den Göttern den Rest.«
»Aber wenn es nach den Göttern gegangen wäre ...«
Bevor sie fortfahren konnte, küsste Jack sie auf den Mund.
Ricardas Anspannung löste sich unter der Berührung seiner Lippen. Sie vergaß für einen Moment sogar, dass sie sich inmitten des Maoridorfes befanden. Dann jedoch machte ihr ein Kichern klar, dass alle auf dem kainga sie beobachteten.
»Meinst du nicht, dass es die anderen beschämen könnte, wenn wir ...«, fragte sie zurückweichend.
Bevor sie weiterreden konnte, küsste Jack sie erneut.
»Nein«, sagte er dann. »Für die Maori ist es keineswegs beschämend, einem Paar beim Küssen zuzusehen.«
»Dennoch sollten wir es nicht übertreiben, sonst richtet Moana noch die Hochzeit für uns aus.«
Jack lächelte breit. Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen, als mit Ricarda ein Hochzeitsfest nach Maoritradition zu feiern, dachte er. Aber da er glaubte, dass Ricarda noch nicht so weit war, verschwieg er ihr das lieber.
Plötzlich versteifte sich Ricarda in seinen Armen.
»Was ist?«, fragte Jack verwundert.
»Dieser junge Mann dort - Taikos Bruder, wenn ich mich recht entsinne.«
»Was ist mit ihm?«
»Er blickt so finster drein. Ob ich mal rübergehe und ihm erzähle, dass er Onkel geworden ist?«
»Überlass das besser Moana! Wenn er dich genauer ansieht, könnte er glauben, du hättest seiner Schwester etwas angetan.«
In dem Augenblick trat Moana aus der Hütte. Ehrfurcht spiegelte sich in ihrem Gesicht. Sie streckte die Hände nach Ricarda aus.
Ricarda erwiderte diese Geste lächelnd.
»Du hast gerettet Taiko. Du sein große tohunga. Ich werde zeigen Pflanzen, und wir machen rongoa.«
»Das ist sehr freundlich von dir, Moana.«
»Haere ra.«
»Harea ra, Moana.«
Die beiden Frauen sahen einander noch einen Moment an, dann wandte sich die Heilerin um und ging gemessenen Schrittes in ihre Hütte zurück.
»Hab ich's dir nicht gesagt? Sie werden dich in ihr Dorf aufnehmen«, prophezeite Jack, als sie zu den Pferden zurückkehrten.
»Woraus schließt du das? Moana möchte mir doch nur ihre Medizin zeigen.«
»Das hat sie noch nie getan!«, erklärte Jack stolz. »Wenn sie dir ihre Medizin zeigen möchte, heißt das, du gehörst bereits zu ihrer Familie.«
In dieser Nacht liebten sie sich erneut. Es war für Ricarda erstaunlich, wie etwas, was sie vorher nicht einmal vermisst hatte, unverzichtbar werden konnte. Sie erkundeten ihre Körper, neckten sich spielerisch, und wenn sie sich vereinigten, lauschte jeder den Lauten des anderen und ließ sich mitreißen von den Wogen
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