Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga

Titel: Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
Vom Netzwerk:
Frühstück einnahmen. Ricarda registrierte, dass kein Gedeck für sie bereitstand. Offenbar rechneten sie nicht mehr damit, dass sie zu den Mahlzeiten erschien.
    Ricarda räusperte sich, doch weder ihr Vater noch ihre Mutter zeigte eine Reaktion.
    »Mutter, Vater«, sagte Ricarda.
    Endlich blickten ihre Eltern auf und wandten sich ihr zu.
    Die Miene ihres Vaters war abweisend. »Kommst du, um dich für dein gestriges Verhalten zu entschuldigen?«, fragte er scharf.
    Als ob du nicht wüsstest, weshalb ich hier bin!, dachte Ricarda, bevor sie sagte: »Ich komme, um euch mitzuteilen, dass meine Bewerbung abgelehnt wurde.« Damit legte sie das Ablehnungsschreiben direkt vor ihren Vater auf den Tisch.
    Ungerührt führte er die Kaffeetasse an die Lippen. Entweder überraschte es ihn tatsächlich nicht, oder er hatte sich vorgenommen, seiner Tochter nur noch die kalte Schulter zu zeigen.
    »Ist das nicht ein Grund zur Freude für euch?«, fragte sie in herausforderndem Ton. »Ich werde nicht in der Charite arbeiten. Also könnt ihr jetzt in Ruhe fortfahren, mich mit irgendeinem Kerl zu verkuppeln.«
    Ricarda wartete nicht auf eine Antwort. Sie wirbelte herum und lief aus dem Esszimmer. Dabei rempelte sie beinahe Rosa an, die vor der Tür wartete. Eine Entschuldigung murmelnd, rannte sie die Treppe hinauf. In ihrem Zimmer warf sie sich aufs Bett und begann zu weinen.
 
    Während draußen vor ihrem Fenster die Menschen in Droschken zu Weihnachtseinkäufen fuhren, saß Ricarda am Fenster und blickte stumpfsinnig hinaus. Rosa brachte ihr die Mahlzeiten wie einer Kranken, aber Ricarda rührte nur die Süßspeisen an, da diese sie wie in Kindertagen ein wenig zu trösten vermochten. Ansonsten dämmerten die Stunden an ihr vorbei. Seit der Absage hatte sie nicht mehr gearbeitet. Auf ihre medizinischen Bücher hatte sich ein zarter Staubfilm gelegt.
    Ein Klopfen holte sie aus ihrer Starre. Hatte man das Dienstmädchen wieder zum Staubwischen geschickt? Da konnte es gleich wieder verschwinden.
    »Ich habe doch gesagt, hier soll nicht gefeudelt werden, Rosa!«, rief sie, als die Tür geöffnet wurde, ohne sich umzudrehen.
    »Ricarda, mein Kind.«
    Überrascht blickte Ricarda sich um. Ihre Mutter trug ein streng geschnittenes braunes Kleid, das an die Tracht einer Gouvernante erinnerte. Da ihre Mutter sich zu jedem Anlass passend zu kleiden pflegte, machte Ricarda sich auf eine Predigt gefasst. Seufzend wandte sie sich wieder dem Fenster zu. Sie wollte keine Auseinandersetzung, doch es würde sich nicht vermeiden lassen.
    »Doktor Berfelde wird uns am ersten Weihnachtstag besuchen«, hob ihre Mutter mit der gleichen Süße an, mit der sie ihre Tochter im November empfangen hatte.
    Ricarda antwortete nur mit einem Nicken. In der Stille der vergangenen Tage war ein Entschluss in ihr gereift. Nun war es, als brächten die Worte ihrer Mutter das sorgfältig aufgezogene Uhrwerk zum Ticken. Mit jeder Umdrehung der Zahnrädchen schwand ihr Selbstmitleid.
    »Wir erwarten, dass du erscheinst und dich so verhältst, wie man es von einer Dame deines Ranges erwarten kann.«
    Weiter!, dachte Ricarda. Rede nur weiter, Mutter! Damit ich bloß nicht vergesse, dass ihr mich »brechen« wollt.
    »Wir gedenken, demnächst deine Verlobung mit Doktor Berfelde bekannt zu geben. Über Weihnachten habt ihr Gelegenheit, euch kennenzulernen. Du kannst dankbar sein, dass er nach all den Fehltritten, die du dir erlaubt hast, gewillt ist, dir eine Zukunft als angesehene Arztgattin zu ermöglichen und damit unsere Familientradition angemessen fortzuführen.«
    Dankbar war Ricarda in diesem Augenblick wirklich. Aber nicht für Dr. Berfeldes Wohlwollen. Sie war dankbar für die Worte ihrer Mutter, die ihr den Mut verliehen, die einzige Möglichkeit zu ergreifen, die sie noch besaß. Eine, die sie bereits seit dem Weihnachtsball kannte; aber damals hatte sie sich noch an die Bewerbung geklammert.
    »Ich werde euch keine Schande machen, Mutter«, sagte sie, ohne sie anzusehen, und damit gab es nichts, was Susanne Bensdorf hinzuzusetzen hatte.
    Schweigend wartete sie noch eine Weile in der Hoffnung auf ein Gespräch mit ihrer Tochter, doch als Ricarda stumm blieb, ging sie hinaus.
    Ricarda reagierte nicht auf das Klappen der Tür. In Gedanken war sie bereits woanders. Sie würde Berlin verlassen. Sie würde Preußen und Deutschland verlassen. Eine andere Wahl hatte sie nicht.
 
    Unter dem Vorwand, Weihnachtsbesorgungen zu machen, verließ sie am Nachmittag das Haus

Weitere Kostenlose Bücher