Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
Menschenrecht. Und dann ist da natürlich auch die Konkurrenz auf dem Gebiet der Schaf- und Pferdezucht. Ich habe bei weitem nicht so viele Schafe wie Bessett, aber meine Geschäfte gehen gut. Und gäbe es hier Pferderennen, würden meine Tiere seine um Längen schlagen. Mein Vater war ein außergewöhnlicher Züchter, und nur zu gern würde Bessett sich mein Wissen aneignen, um noch reicher zu werden. Wo wir schon beim nächsten Grund wären: seine unermessliche Gier ...«
»Nun, ich denke, ihm haben eben die Ohren geklingelt, er steuert auf uns zu.«
Jack nickte. Wahrscheinlich waren weniger seine Worte als sein Blick schuld daran. Und wenn er ehrlich war, hatte er gewollt, dass Bessett ihn sah. Schon lange wollte er ihm mal einen Denkzettel abseits der Versammlungen verpassen.
»Ah, Mr Manzoni, ich hätte nicht erwartet, dass Sie hier sind«, sagte Bessett zum Gruß.
Ricarda würdigte er keines Blickes, seine Augen waren starr auf Manzoni gerichtet. Der Vergleich mit zwei Jagdhunden, die jeden Moment aufeinander losgehen konnten, kam ihr beim Anblick der beiden Männer in den Sinn.
Jack setzte ein säuerliches Lächeln auf. »Geht mir genauso. Ich dachte, Sie hätten andere Dinge zu tun, als sich auf einer Party herumzutreiben.«
Bessett verzog missbilligend das Gesicht. »Was Sie eine Party nennen, nenne ich ein Treffen zur Pflege wichtiger Kontakte.«
»Ah, sind Sie bereits auf Stimmenfang für die Bürgermeisterwahl?«, spottete Jack. »Da müssen Sie sich aber ins Zeug legen. Mr Clarke ist bei den meisten Bewohnern von Tauranga sehr beliebt.«
Das zu hören überraschte Ricarda nicht. Doch ihr gegenüber hatte ihr Gastgeber nicht erkennen lassen, dass er um Stimmen warb.
»Sie werden schon sehen, Manzoni«, entgegnete Bessett arrogant, »auch wenn ich Ihre Stimme nicht kriege, in gewissen Fragen denken sehr viele wie ich.«
»Ach ja?«, entgegnete Jack und zuckte mit den Achseln, obwohl er sichtlich angespannt war. »Meinen Sie wirklich, alle hier schätzen es, dass Sie sich an Ihren Dienstmädchen vergreifen und ihnen einen dicken Bauch machen? Was ist, Bessett, haben Sie die Maori schon fortgejagt, oder hat sich Ihre Frau entschlossen, das Kind aufzuziehen?«
Bessetts Mund schnappte auf und zu, ohne dass er ein Wort hervorbringen konnte. Sein Gesicht wurde puterrot, und die Adern an seinen Schläfen schwollen an, als würde sein Kopf jeden Augenblick platzen. »Sie!«, presste er schließlich hervor, doch bevor er weitersprechen konnte, griff er sich stöhnend an die Brust, rang nach Luft und sackte leblos vor Manzoni zusammen.
Die Leute ringsherum schrien auf und wichen zurück.
Ricarda stellte ihr Glas ab und beugte sich zu Bessett hinunter. Sein Anblick erinnerte sie an den Kranken auf dem Schiff, dem sie nicht mehr hatte helfen können.
»Er hat einen Infarkt!«, rief sie, lockerte hastig Bessetts Krawatte und tastete nach seinem Puls. Er war sehr unregelmäßig. »Ich brauche einen starken Kaffee!«
Ohne sich um die anderen Anwesenden zu kümmern, riss sie Bessetts Hemd auf und legte ein Ohr auf seine Brust, um seine Herzgeräusche zu orten.
»Ist das nicht ein unpassender Zeitpunkt für ein Kaffeekränzchen?«, murmelte jemand im Hintergrund.
»Schnell, er braucht Kaffee! Das Koffein erweitert die Gefäße, denn ein Infarkt ist eine Verengung derselben«, rief Ricarda.
Im Vertrauen auf das Können der jungen Ärztin orderte Mary Cantrell einen starken Kaffee und bahnte sich einen Weg zu ihr. »James bringt das Gewünschte gleich«, erklärte sie.
»Danke. Wollen hoffen, dass er so lange durchhält.« Dann wandte Ricarda sich an den Patienten. »Mr Bessett, können Sie mich hören?«
Trotz halb geöffneter Augen antwortete er nicht. Ricarda tätschelte ihm die Wange und tastete erneut nach seinem Puls. Diesmal war er nicht mehr zu fühlen.
Eine Welle der Panik erfasste sie. Dies war noch schlimmer als bei ihrer Abschlussprüfung. Hier ging es nicht um eine Zensur, sondern um ein Menschenleben. Ricarda spürte, dass ihre Hände zitterten, aber gleichzeitig arbeitete ihr Verstand auf Hochtouren und offenbarte ihr die einzige Möglichkeit, diesen Mann zu retten.
Ein gewisser Dr. H. R. Silvester hatte vor Jahren eine Methode zur Wiederbelebung gefunden, die sie jetzt einsetzte: Sie griff nach Bessetts Armen und bewegte sie vor und zurück. Zwischendurch presste sie ihren Mund auf den ihres Patienten und spendete ihm Atem, bevor sie erneut nach seinen Armen griff. Sie musste seinen
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