Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
Herzschlag unbedingt wieder in Gang bringen.
Die Umstehenden schauten sie an, als sei sie eine Besessene, die ein teuflisches Ritual vollführt, aber Ricarda nahm keine Notiz davon. Sie beatmete den Bewusstlosen konzentriert und führte seine Arme wie Pumpenschwengel. Schweißperlen glänzten auf ihrer Stirn, während die Worte des Professors durch ihren Kopf donnerten, dass eine Wiederbelebung nach fünf Minuten sinnlos sei. Ricarda wusste nicht, wie lange ihr Versuch bereits dauerte, sie wusste nur: Aufgeben wollte sie nicht. Als Silvesters Methode auch in den nächsten Minuten nicht wirkte, ballte sie die Faust, holte aus und schlug Bessett mit aller Kraft mehrfach auf das Brustbein.
»He, was soll das, wollen Sie ihm die Rippen brechen?«, erboste sich einer der Gäste und wollte sich auf sie stürzen, als Jack dazwischenging. »Lassen Sie die Ärztin arbeiten! Oder wollen Sie verantworten, wenn er stirbt?«
Plötzlich begann Bessett zu husten und riss die Augen weit auf. Ricarda tastete an seinem Hals nach dem Puls und spürte ihn wieder. Das Herz schlug schwach, aber es schlug. Bessett lebte!
»Mr Bessett, hören Sie mich?«, fragte sie wieder und wieder, bis er nickte.
Ein Raunen ging durch die Zuschauer.
Ricarda ließ Bessett nicht aus den Augen, bis der Butler mit dem Kaffee erschien. Das starke Gebräu würde den Patienten ein wenig beleben, aber es änderte nichts daran, dass er unter die Aufsicht eines Arztes gestellt werden musste. Eines Arztes, der über Instrumente verfügte und ihn erneut aus dem Totenreich holen könnte, sollte es notwendig sein.
»Wäre jemand so freundlich, Mr Bessett in das Hospital von Doktor Doherty zu fahren?«, fragte sie in die Runde.
Es ärgerte sie, dass sie ihn nicht in ihr eigenes Krankenzimmer bringen und an seinem Bett wachen konnte. Doch Eitelkeit war hier fehl am Platz. Schon hievten vier Männer Bessett hoch und trugen ihn aus dem Salon. Ricarda folgte ihnen nach draußen, während sie überlegte, ob sie den Kranken zum Hospital begleiten sollte. Sie entschied sich dagegen. Der Zustand des Patienten war einigermaßen stabil, und alles andere konnte Doherty erledigen. Sie blickte dem Wagen, der ihn abtransportierte, nach und kehrte schließlich ins Haus zurück.
Nach diesem Zwischenfall verabschiedeten sich die meisten Gäste zügig. Jack jedoch setzte sich neben Ricarda, die sich erleichtert auf die Chaiselongue hatte fallen lassen.
»Was meinen Sie, war das ein Fehler?«, fragte sie tonlos, während sie auf die Stelle blickte, an der Bessett gelegen hatte.
»Dass Sie ihn gerettet haben? Nein, das denke ich nicht. Ich hasse diesen Mistkerl wie die Pest, aber ich wünsche ihm nicht den Tod.«
»Nein, ich dachte eher an meinen Kollegen und dass ich ihm wieder einen Patienten überlassen habe«, erklärte Ricarda.
»Nein, das war gewiss kein Fehler. Indem Sie Bessett an Doherty überwiesen haben, haben Sie wahre Größe bewiesen, Ricarda. Und Vernunft. Jeder der Anwesenden hat gesehen, dass Sie keinerlei Instrumente dabeihatten, um Bessett zu versorgen.«
Jack lächelte sie an, streckte die Hand nach ihrer Stirn aus und strich eine Locke zurück. Dabei berührten seine Finger wie zufällig Ricardas Haut.
Obwohl diese Berührung nur einen winzigen Moment andauerte, erzeugte sie eine Wärme, die ihren ganzen Körper erfasste.
Eine Weile blickten sie einander schweigend an, bevor Jack hinzusetzte: »Ich muss mich jetzt leider verabschieden. Denken Sie an die Instrumente, Fräulein Doktor. Ich werde Ihnen alles beschaffen, was Sie möchten.«
Diesmal gab es keinen Protest von ihr. »Danke, Jack, ich werde es nicht vergessen.«
»Möchten Sie, dass ich Sie in meiner Kutsche zurück zu Molly bringe?« Ricarda schüttelte nur verneinend den Kopf und dachte dabei wieder an ihre erste Begegnung, bei der sie es ebenfalls ausgeschlagen hatte, mit ihm zu fahren. Damals aber noch aus anderen Gründen.
»Nein, ich denke, ich bleibe noch ein wenig. So sehr, wie meine Beine zittern, bezweifle ich, dass ich es auf Ihren Wagen schaffe.«
Jack streckte ihr lächelnd die Hand entgegen. »Also dann, gute Nacht, Doktor Bensdorf.«
Ricarda legte ihre Hand in seine, und diesmal nutzte er die Gelegenheit, um ihr einen Handkuss zu geben. Es war nicht schicklich, dass seine Lippen dabei ihre Haut berührten, doch Ricarda störte dieser Fauxpas nicht. Im Gegenteil, als Jack gegangen war, berührte sie gedankenverloren die Stelle auf ihrem Handrücken und hatte dabei
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