Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
dachte sie, als sie Spencer's Drugstore zustrebte.
Sie erinnerte sich noch sehr gut daran, wie sie an ihrem ersten Tag hier vorbeigekommen war. Mittlerweile wusste sie, dass sich hinter dem vollgestellten Schaufenster ein gediegener Laden befand.
Mit dem Gebimmel der Türglocke trat sie ein, und sogleich strömte ihr der typische Medikamentengeruch entgegen.
Mr Spencer war ein netter älterer Herr mit grauem Bart und schütterem Haar, der stets so tadellos gekleidet war, als wolle er eine Stadtratssitzung oder die Kirche besuchen.
»Ah, Doktor Bensdorf«, grüßte er nun. »Schön, dass Sie wieder einmal vorbeischauen. Was kann ich für Sie tun?«
Ricarda schob eine Liste mit Medikamenten über die Theke. »Außerdem würde ich gern wissen, ob Sie Silberwasser beschaffen können, sofern Sie keines auf Lager haben.«
»Einen Moment, bitte.« Damit verschwand Mr Spencer hinter dem Vorhang, der sein Lager vom Verkaufsraum trennte.
Das Angenehme an Mr Spencer war, dass er nie erstaunt dreinblickte und sich auch nie erkundigte, wozu sie bestimmte Mittel verlangte. In Zürich hatte Ricarda da schon ganz andere Apotheker erlebt.
Während sie wartete, blickte sie sich um. An manche Kuriositäten unter den ausgestellten Waren würde sie sich wohl nie gewöhnen: Eingelegte Haifischflossen, Tintenfischtentakel und Quallen fanden sich neben Gläsern mit lebenden Blutegeln oder seltsamen Fröschen und Kästen mit getrockneten Fledermausflügeln.
Als die Ladenglocke ertönte, erkannte Ricarda in dem neuen Kunden mit Schrecken Dr. Doherty. Der hat mir gerade noch gefehlt!, dachte sie, während ihr Magen sich schmerzhaft zusammenzog. Die ganze Zeit über hab ich es geschafft, ihm aus dem Weg zu gehen, und jetzt treffe ich den Kerl ausgerechnet hier!
Ihr Kollege schien ebenfalls von ihrer Anwesenheit überrascht zu sein. Er zögerte, bevor er näher trat.
Ricarda richtete den Blick wieder auf das Regal hinter der Verkaufstheke und hoffte, Mr Spencer werde bald zurückkehren. Doch der kramte noch immer hörbar in seinem Lager. Beinahe glaubte Ricarda zu spüren, wie Doherty sie mit Blicken durchbohrte.
Der Doktor machte sich nicht die Mühe, ihr einen Gruß zu entbieten, sondern sagte beiläufig, als plaudere er über das Wetter: »Man erzählt sich, dass Sie eine Praxis eröffnet haben.«
»Da haben Sie richtig gehört, Herr Kollege«, entgegnete Ricarda, entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen.
»Ich nehme an, eine Praxis für Frauen.«
Ricarda vermutete, dass der Bürgermeister mit ihm über ihr Vorhaben gesprochen hatte.
»Warum fragen Sie?«
»Reine Neugierde.«
»Sie haben mir verboten, Ihr Hospital aufzusuchen, und daran halte ich mich«, entgegnete sie kühl. »Alles Weitere müssen Sie schon selbst herausfinden.«
Doherty blickte sie an, als habe sie ihm eine Ohrfeige versetzt. Glücklicherweise erschien der Ladeninhaber, bevor der Doktor seiner Empörung Luft machen konnte. Mr Spencer begrüßte den Arzt mit einem Kopfnicken und wandte sich an Ricarda.
»Das gewünschte Mittel zu beschaffen dürfte ein paar Tage dauern«, erklärte er diskret. »Geben Sie mir einfach Bescheid, wie viel Sie davon benötigen. Alles andere habe ich Ihnen zusammengepackt.«
Damit schob er ihr eine braune Papiertüte über den Tresen. Ricarda nahm sie an sich und bezahlte. Beim Hinausgehen sah sie Doherty direkt in die Augen. Den Zorn, der darin flackerte, quittierte sie mit einem trotzigen Lächeln.
2
Am nächsten Morgen hatte Ricarda Maggie Simmons wieder zu sich bestellt. Die Untersuchung des Abstriches hatte ihren Verdacht bestätigt. Nun konnte sie gezielte Maßnahmen einleiten. Vorausgesetzt, die Frau und auch ihr Gatte erklärten sich dazu bereit.
Ricarda räumte gerade ihre sterilisierten Instrumente fort, als Maggie erschien.
Ihr Blick wirkte ängstlich. Unruhig nestelte sie an den Zipfeln ihres Schultertuches, wobei das Zittern ihrer Finger nicht zu übersehen war.
Ricarda bedauerte, dass sie keine gute Nachricht für ihre Patientin hatte.
»Setzten Sie sich, Mrs Simmons«, sagte sie freundlich und deutete auf einen Stuhl.
Nachdem Maggie Platz genommen hatte, schilderte Ricarda ihr die gesundheitliche Situation.
»Ich will nicht verhehlen, dass die Behandlung schwierig ist, aber ich werde alles tun, was in meiner Macht steht. Wie ich gestern schon andeutete, sollten wir auch mit Ihrem Mann reden. Wann treffe ich ihn denn mal an?«
»Er is' zu Hause«, antwortete Maggie einsilbig und senkte den
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