Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
Farm aufzuziehen. Daran dachte er, wenn er sich aus seinem Quartier hierherschlich.
Wenig später öffnete sich die Haustür und Bessett kam heraus. Suchend blickte er sich um. Na endlich!, dachte der Mann. Dann bin ich ja doch noch rechtzeitig genug zurück. Er trat ans hohe Gittertor des Anwesens und wartete still, wie es abgemacht war.
Zunächst schien Bessett seinen Besucher nicht zu bemerken. Dann schlenderte er langsam in Richtung Tor, als wolle er einen kleinen Spaziergang machen. Den Hund, der ihn sonst auf Schritt und Tritt begleitete, hatte er allerdings im Haus gelassen.
»Was bringst du für Neuigkeiten?«, fragte er, noch bevor er seinen Gesprächspartner erreicht hatte.
»Die Sache mit den Schafen hat geklappt. Aber er will immer noch nicht dran glauben, dass es die Wilden waren.«
»Tja, typisch Manzoni. Das Pack im Busch ist ihm wichtiger als seine Schafe. Aber das ändert sich bestimmt, wenn es erst mal jemand von seinen Leuten erwischt.«
»Wen soll ich mir denn vorknöpfen?«
Bessett sah ihn lächelnd an. »Wer wäre wohl derjenige, der am überzeugendsten vorbringen könnte, von einem Maori angegriffen worden zu sein?«
Es dauerte eine Weile, bis der Mann begriff.
»In Ordnung, Sir, wird erledigt.«
»Vielleicht kannst du auch unter der Mannschaft noch ein wenig die Stimmung anheizen. Irgendwann wird Manzoni nicht mehr drum herumkommen, etwas zu unternehmen. Und wenn nicht er, dann zumindest andere ...«
3
Eine Woche nach der unangenehmen Angelegenheit mit Mrs Simmons wurde Ricardas Praxis von Patientinnen regelrecht überrannt. Frauen aus allen Bevölkerungsschichten und jeder Alterstufe suchten ihren Rat. Einige litten unter Wechseljahresbeschwerden, andere hatten Schwierigkeiten, schwanger zu werden, wieder andere hatten Probleme mit dem Blutdruck.
Einige der Beschwerden hatte Dr. Doherty gewiss schon einmal als nervösen Ursprungs oder als eingebildet abgetan, ein Verhalten gegenüber weiblichen Kranken, das Ricarda von den Schweizer Kollegen nur zu gut kannte. Ricarda hingegen nahm jede Patientin ernst. Sie untersuchte, behandelte, verschrieb Medikamente oder hörte auch nur geduldig zu, wenn es nötig war.
Eine so schwerwiegende Erkrankung wie die von Maggie Simmons war ihr zum Glück nicht wieder begegnet.
Inzwischen hatte Mr Spencer ihr das Silberwasser geliefert. Die Summe, die er dafür verlangt hatte, war horrend, doch da Ricarda bereits die ersten Einnahmen verbucht hatte, bezahlte sie das Mittel und beschloss, es den Simmons nicht voll in Rechnung zu stellen, um sicherzugehen, dass die Behandlung nicht aus finanziellen Erwägungen abgebrochen wurde.
Die Stunden in der Praxis verflogen nur so, und Ricarda hatte kaum Zeit aufzuschauen.
Es ist ein Wunder, dass ich es geschafft habe, die Einladungen für meinen Empfang abzuschicken, ging es ihr in einer kurzen Ruhepause durch den Kopf. Doch schon erschien die nächste Patientin.
Während Ricarda Mrs Brisby, die unter starken Blutungen litt, untersuchte, wurde plötzlich die Tür aufgerissen. Ricarda blickte auf und wollte den Hereinstürmenden schon zurechtweisen, als sie erkannte, wer sich da so unverschämt Zutritt zu ihrer Praxis verschafft hatte: Borden! So, wie er dreinschaute, hätte er selbst eine wütende Dogge erschreckt.
»Was fällt Ihnen verdammt noch mal ein!«, blaffte er.
»Mr Borden, wie nett, dass Sie vorbeischauen!«, entgegnete Ricarda betont freundlich.
Die Patientin vor ihr blickte ängstlich zu dem Bordellbesitzer, der wutschnaubend in der Tür stand und den Rahmen beinahe vollständig auszufüllen schien. »Es entgeht Ihnen vielleicht gerade, aber ich bin mitten in einer Untersuchung. Wenn Sie zu mir wollen, dann werden Sie sich gedulden müssen. Nehmen Sie bitte im Wartezimmer Platz!«
»Ich werde Ihnen die Haut streifenweise von Ihren dürren Rippen ziehen!«, schnauzte er weiter. »Sie verbreiten überall in der Stadt, dass meine Mädchen den Tripper haben. Seit Tagen bleiben mir die Kunden aus!«
»Ich verbreite überhaupt nichts, Mr Borden.«
Unauffällig warf Ricarda einen Blick auf den Instrumententisch neben sich. Da sie kurz zuvor eine Schachtel Schmerzpulver aufgeschnitten hatte, lag das Skalpell, das sie benutzt hatte, immer noch dort. Sollte Borden wirklich die Unverschämtheit besitzen, sie anzugreifen, würde sie sich schon zu verteidigen wissen.
»Ich habe lediglich bei einer Patientin, die meines Wissens nicht bei Ihnen arbeitet, diese Krankheit festgestellt. Dabei
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