Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
sein Glas. »Sie erzählen mir nichts Neues.«
»Dieses Frauenzimmer bedeutet nichts als Ärger. Für Sie und auch für mich.«
Doherty hatte keine Ahnung, worauf dieser Mann hinauswollte. Dass diese Bensdorf seine Lage nicht einfacher machte, wusste er. Doch was hatte der Bordellbesitzer mit ihr zu schaffen? Gut, die Ärztin hatte eines seiner Mädchen untersucht. Ob sie ihm das in Rechnung gestellt hatte? Eigentlich sollte das Borden kein Problem bereiten, denn er bezahlte seinen eigenen Arzt ja auch so gut wie nie.
»Was haben Sie mit ihr zu tun, Borden?«, fragte er, nachdem er den Inhalt des Glases heruntergestürzt hatte.
»Sie hat die Leute so aufgehetzt, dass mir die Kunden wegbleiben.«
»Wieso das?«
»Einer meiner Gäste hat sich bei meinen Mädchen den Tripper eingefangen. Jedenfalls hat diese Bensdorf ihm das eingeredet. Inzwischen spricht die ganze Stadt darüber.«
Doherty hatte davon noch nichts gehört. Vielleicht sollte er wieder mehr unter die Leute gehen. Es erstaunte ihn allerdings, dass ein Mann bei der Deutschen Hilfe gesucht hatte.
»War der Patient bei der Bensdorf?«
»Nein, nur seine Frau. Aber dieses Fräulein Doktor ist wohl zu ihm gegangen und hat ihn vor meinem Laden gewarnt.«
Eins musste er seiner Kollegin lassen: Sie hatte Mut. Ich hätte den Ehemann einer Patientin nicht aufgesucht, um ihn zu warnen und aufzufordern, nicht mehr ins Bordell zu gehen, dachte er und bewunderte Ricarda insgeheim dafür.
»Am liebsten würde ich dieses elende Weibsstück an einem Pferd durch die Stadt schleifen«, donnerte Borden ohne Rücksicht auf den Barkeeper. »Aber leider sind diese Zeiten längst vorbei.« Er kippte den Rest seines Whiskys herunter und atmete tief durch.
Doherty schwieg. Wenn man dieser Bensdorf nicht Einhalt gebot, würde sie bald die größere Praxis haben. Die Bürger hatten offenbar vergessen, dass eine Frau an den Herd gehörte. Es half nichts, diese Deutsche musste unbedingt fort von hier. Der Arzt lächelte. Denn er hatte gerade jemanden gefunden, der die Sache vielleicht für ihn erledigen könnte ...
»Mr Borden, was halten Sie davon, wenn ich Ihre Mädchen untersuche?«, schlug er vor. »Kostenlos, versteht sich. Sollten sie dieses Leiden tatsächlich haben, heile ich sie. Und Sie kümmern sich um die Ärztin.«
Borden zog die Augenbrauen hoch. Doherty war ein ehrenvoller Mann. Er hätte einen Hunderter gewettet, dass er von dem Doktor niemals solch einen Vorschlag zu hören bekäme. »Und wie soll das aussehen?«, fragte er. »Natürlich habe ich Männer für so etwas. Sie könnten sie im Busch verloren gehen lassen. Aber Sie müssten mir schon sagen ...«
»Verstehen Sie mich nicht falsch, Borden! Ich will zwar, dass sie die Stadt verlässt, allerdings lebend. Erschrecken Sie sie ein bisschen! Verleiden Sie ihr die Lust, hier zu sein! Mehr will ich gar nicht.«
Borden grinste breit. Unverschämt breit.
Doherty schämte sich fast, dass er sich mit ihm eingelassen hatte. Aber hatte er denn eine andere Wahl?
»Meine Mädchen können alle kostenlos zu Ihnen kommen?«
»Ich komme zu Ihnen. Sie reihen alle in einem Raum auf, und ich sehe sie mir an. Dafür erwarte ich, dass Ricarda Bensdorf ...« - er senkte die Stimme, als er merkte, dass der Barmann sie beobachtete - » ... innerhalb eines Monats ihre Koffer packt und weiterzieht. Meinetwegen nach Auckland oder Wellington. Auf jeden Fall weit genug weg von Tauranga.«
Jack Manzoni entdeckte den Brief gleich beim Hereinkommen. Er hatte einen zarten Lavendelton und stammte ganz offensichtlich nicht von der Wool Company. Die zarte, aber schwungvolle Handschrift war ihm sofort vertraut, denn er kannte sie von der Einkaufsliste für den Praxisbedarf, die Ricarda Bensdorf ihm gereicht hatte.
Was mag sie wollen?, fragte Jack sich, während sein Herz schneller zu schlagen begann. Parfümiert war der Umschlag nicht, im Gegenteil, ihm haftete ein Hauch von Karbol an.
Er hätte ihn am liebsten sofort aufgerissen, aber er unterdrückte den Impuls und ging damit ins Arbeitszimmer. Dort räumte er die Bücher auf dem Schreibtisch beiseite und legte ihn ab. Während er bedächtig nach dem silbernen Brieföffner griff, betrachtete er den Umschlag, als blicke er in Ricardas Gesicht. Schließlich schlitzte er ihn mit dem kleinen Dolch auf. Das Briefpapier hatte dieselbe Farbe wie das Kuvert.
Ricarda teilte ihm darauf mit, dass sie gedenke, einen Empfang zur Eröffnung ihrer Praxis zu geben. Am 27. April um acht Uhr
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