Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02
Lächeln. Faraday warf der Katzenfrau einen kurzen Blick zu, um festzustellen, ob die ihre Gedanken erraten hatte. Offensichtlich; denn die Wächterin biß sich auf die Lippen, um nicht zu lachen und wich dem Blick der Edlen aus.
Der Himmel an diesem Tag war zwar wunderbar klar, aber es war furchtbar kalt. Seit zwei Tagen hatte es schon nicht mehr geschneit. Yr entdeckte den Zug als erste und trat neben Faraday.
»Schaut nur!« sagte sie leise und deutete auf einen dunklen Punkt am Ende der Straße nach Süden. »Könnt Ihr sie erkennen?«
Faraday schlug sofort das Herz bis zum Hals, und sie spähte dorthin. »Wo denn?« fragte sie atemlos. »Wo? Ich kann nichts erkennen! Ist er es?«
»Ja, mein liebes Kind, er kommt. Seid Ihr bereit?«
Die Frage konnte sich auf verschiedene Dinge beziehen, aber die Edle wußte gleich, was die Wächterin damit meinte. Würde es ihr möglich sein, Bornheld im entscheidenden Moment zurückzuhalten? »Wenn nicht, dann werden wir das schon bald erfahren«, antwortete sie nur.
»Was gibt es denn?« wollte Timozel ungeduldig wissen, weil er sich immer wieder darüber ärgerte, daß die beiden Frauen ständig tuschelten. »Habt Ihr irgend etwas gesehen?«
»Die Axtschwinger reiten auf Gorken zu, Timozel«, antwortete die Katzenfrau und sah ihn an. Seit ihrer Ankunft hatte sie ihr langes blondes Haar zu einem Knoten zusammengefaßt, dabei jedoch einige Löckchen freigelassen, die sie nun wie ein zarter goldener Heiligenschein umgaben. Die beiden hatten ihre Beziehung wiederaufgenommen, und der Jüngling freute sich sehr darüber, daß sie seine Gesellschaft der Gautiers vorzog. »Seid Ihr bereit, Eurem Axtherrn gegenüberzutreten?«
»Er ist nicht mehr mein Axtherr«, entgegnete Timozel. »Meiner Herrin hat es gefallen, den Herzog zu heiraten, den mächtigsten Kriegsherrn, den Achar je gesehen hat. Ich diene nun Bornheld.«
Die Edle senkte den Kopf. So wie sie Axis betrog, hinterging auch Timozel ihn. Durfte sie ihm also daraus einen Vorwurf machen?
Der Jüngling dachte kurz an seine Vision im Grabgewölbe des ikarischen Zauberers. »Davon abgesehen scheint mir eher Bornheld derjenige zu sein, der das Reich vor Gorgrael dem Zerstörer bewahren wird.«
Faraday mußte sich an der steinernen Brüstung festhalten. Ihr war eingefallen, wie ausweichend Jack und Yr geantwortet hatten, als Timozel wissen wollte, ob nicht vielleicht der Herzog derjenige sei, der Achar retten würde. In diesem Augenblick hatte niemand ahnen können, daß der Jüngling kurz darauf vor Faraday auf die Knie fallen und sich ihr als Ritter darbieten würde. In welche Grube graben wir uns doch mit der Schaufel unserer Lügen, dachte sie bitter.
»Wer kann das jetzt schon wissen«, antwortete sie ihm und nahm seine Hand. »Kommt, laßt uns nach den Axtschwingern Ausschau halten.«
Eine Stunde später hatten die Elitesoldaten das Stadttor erreicht. Die meisten von ihnen blieben beim Marktplatz zurück, um sich dort Quartier und Verpflegung für sich und ihre Pferde zuweisen zu lassen. Etwas später ritten die wenigen, die zum Schutz der Festung zurückgelassen worden waren, aus der Stadt und kamen nahe genug, daß Faraday ihre Gesichtzüge erkennen konnte. Vorn ritt Belial. Er wirkte magerer, als sie ihn in Erinnerung hatte. Hinter ihm befand sich Arne, ein Offizier, den sie nur flüchtig kannte.
»Yr«, sagte sie und zeigte auf die Gruppe.
»Ja«, lächelte die Wächterin, »sie sind immer noch bei ihm.« Ogden und Veremund zeigten sich jetzt, und ihre langen Umhänge umwehten die kleinen Esel. Yr freute sich sehr, die beiden wiederzusehen, und konnte es kaum erwarten, sie mit Fragen zu bestürmen. Wie war es ihnen an der Seite Axis’ ergangen? Waren sie unterwegs auf Jack gestoßen? Hatten sie den fünften Wächter gefunden? Hatte Gorgrael noch einmal zugeschlagen?
Und dann bog Axis selbst um die Ecke der gewundenen Straße. Er unterhielt sich gerade mit einem Axtschwinger, der hinter ihm ritt. Faraday preßte sich beide Hände auf die Brust, weil sie befürchtete, das Herz würde ihr zerspringen. Ob er um mich getrauert hat? »Bedenkt bitte, daß Ihr beiden Euch seit Eurer letzten Begegnung in unterschiedliche Richtungen entwickelt habt. Aber wenn er Euch damals sagte, daß er Euch liebe, dann dürft Ihr Euch immer noch darauf verlassen.«
Faraday verfolgte mit ihren Augen, wie die schwarzuniformierte Gestalt unter ihr auf das Burgtor zu ritt.
Mutter steh mir bei, ich liebe ihn wirklich.
»Ich weiß,
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