Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02
»Feuer schreckt die Geister manchmal ab«, erklärte der Fürst, »und sie überlegen sich einen Angriff dann zweimal. Aber wenn sie sich stark genug fühlen, schrecken auch ein paar Fackeln sie nicht ab. Wenn es zum Kampf kommen sollte, bedenkt dies: Die Geister besitzen nur wenig Fleisch und Blut. Aber an ihren artorverwünschten silbernen Augen kann man sie verwunden. Stecht ihnen mitten hinein, und dann sind sie erledigt. So bleich und substanzlos sie auch erscheinen mögen, wenn ihr Auge durchstoßen wird, fließt das Blut so reichlich wie bei einem Menschen, dem man den Bauch aufgeschlitzt hat.«
Magariz legte eine kurze Pause ein, damit die Axtschwinger sich das Gesagte vergegenwärtigen konnten. »Und vergeßt nicht, daß dieser Feind Euch zuerst an Gesicht und Kehle geht. Manchmal auch an Hände und Handgelenke. Das sind nämlich die Körperteile, die am wenigsten von unserer Rüstung geschützt werden. Die Feinde riechen Menschenfleisch und lechzen danach. Sie besitzen sehr scharfe Reißzähne, so lang und so spitz wie die der menschenfressenden Fische, die den Schiffen im Andeismeer folgen. Sobald die Geister erst einmal ihre Zähne in Euer Fleisch geschlagen haben, kann Euch nichts mehr retten.«
Der Fürst bemerkte die Unruhe, die diese Worte bei den Axtschwingern auslösten – was nicht verwunderte, schließlich waren sie einem solchen Gegner noch nie begegnet. »Aber diese Kreaturen nähren sich auch von unserer Furcht. Wenn Ihr bei einem Angriff die Ruhe bewahrt, habt Ihr vielleicht Glück. Aber geratet ja nicht in Panik. Panik und unvernünftige Angst richten Euch schneller zugrunde als Flammen ein Wickelkind, das man zu nah an eine Feuerstelle gelegt hat.« Der Fürst lachte trocken. »Ruhe bewahren. Was für ein seltsamer Befehl, Kameraden, wenn man von Alptraumwesen angegriffen wird.«
Magariz blickte in die Runde. »Wir beobachten seit einiger Zeit, daß die Geister an Substanz gewinnen, und vermuten, daß das auf den reichlichen Verzehr von Fleisch und Blut der Getöteten zurückzuführen ist.«
Axis sah Magariz aufmerksam an. Diese Worte lösten etwas in seinem Hinterkopf aus, einen Gedanken, der sich jedoch hartnäckig seinem geistigen Zugriff verweigerte. Die Rechte des Fürsten ruhte nun auf seinem Schwertgriff. »In jüngster Zeit werden unsere Patrouillen immer öfter angegriffen.«
Magariz zögerte wieder, aber diesmal aus Furcht vor dem, was er zu sagen hatte. »Die Geister sind jedoch nicht unsere schlimmsten Feinde, meine Freunde. Es sind ihre Führer. Sie werden in zunehmendem Maß von den Kreaturen angeführt, die vor einiger Zeit die Zuflucht und die Burg überfallen haben.«
Nach dieser Ansprache zog die Gruppe weiter und ritt eine halbe Stunde lang schweigend dahin. Ein jeder war ganz mit seinen Gedanken beschäftigt. Möge Artor den armen Rabenbundern helfen, die immer noch in den Eiswüsten ausharren, dachte Axis. Ich würde mich nicht weiter als einen halben Tagesritt von Gorken entfernen und nach Norden vorstoßen wollen … Er zog den Umhang etwas fester zusammen, sorgte aber dafür, daß der Schwertgriff frei blieb. Ein leichter Nebel kam vom Norden her, und der Wind fühlte sich nun ebenso feucht wie kalt an.
»Jetzt gebt gut acht, Axtherr!« flüsterte der Fürst plötzlich eindringlich, und Axis fuhr zu ihm herum. Magariz saß kerzengerade im Sattel und hatte sein Schwert gezogen. »Am liebsten greifen sie aus solchen Nebeln an.«
Alle griffen jetzt nach ihren Waffen, und die Männer mit den Fackeln hielten diese höher. Die Rösser tänzelten unsicher über den gefrorenen Boden, weil die Nervosität ihrer Reiter sich auf sie übertragen hatte. Axis faßte die Zügel kürzer.
Etwas kam wispernd mit dem Wind, und der Krieger spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten.
»Skrälinge!« zischte Magariz.
»In Formation!« befahl der Axtherr ruhigen Blutes. »Bildet mit Euren Pferden einen Kreis.«
Die Soldaten verwendeten ihre Kraft aber noch mehr darauf, ihre Furcht niederzuhalten und nicht in Panik zu geraten. Bei den Pferden ließ sich das nicht so einfach durchführen, vor allem, weil die Reiter nun Waffe oder Fackel hielten und kaum eine Hand für ihre Tiere frei hatten.
»Magariz, womit habt Ihr bessere Erfahrungen gemacht?« fragte Axis, während er Belaguez neben den Hengst des Fürsten lenkte. »Wenden wir uns lieber gleich zur Flucht, oder stellen wir uns dem Feind?«
»Wir kämpfen«, entgegnete der Mann entschieden. »Die verwünschten
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