Sternen Stroemers Lied - Unter dem Weltenbaum 02
und waren begeistert darüber, daß sie endlich einmal jemand zum Angriff gegen die tödlichen Wesen führte. Waren sie es bislang gewesen, die vor diesem Feind die Flucht ergriffen hatten, so schien es ihnen nun zu gelingen, den Spieß umzudrehen. Sie scharten sich um den Axtherrn, dessen Wagemut sie anfeuerte und ungeahnte Kräfte in ihnen weckte. Die letzte Furcht fiel von den Soldaten ab, und der erfolgreiche Angriff verlieh ihnen Mut und Stärke. Zum ersten Mal mußten sie sich nicht schmählich vor diesem unheimlichen Feind zurückziehen.
»Für Axis, Rivkahs Sohn!« schrie einer der regulären Soldaten, und seine Kameraden nahmen den Schlachtruf bereitwillig auf, brüllten ihn wie ein Mantra wieder und wieder, während sie tiefer und tiefer in die Reihen der Geister vorstießen. Die Axtschwinger grinsten sich zu, als sie die Begeisterung der anderen spürten, und bald riefen alle den Namen des Kriegers, als um sie herum immer mehr Kreaturen zu Schleim zerliefen.
Und mit einem Mal verschwanden die tückischen Wesen genauso rasch, wie sie gekommen waren. Der Nebel löste sich auf. Belial packte Belaguez’ Zügel und zog so heftig daran, daß das Roß beinahe seinen Halt verloren hätte. Der Leutnant hatte die Mordgier in den Augen seines Axtherrn gesehen und wollte ihn davon abbringen, hinter dem fliehenden Feind her zu reiten.
»Es reicht, Axis!« rief er laut. »Sie sind fort!«
Der Krieger drehte sich zu ihm um, und langsam verschwand die Besessenheit aus seinem Blick. »Bei Artor, das hat sich gut angefühlt. Genau das habe ich gebraucht!« Sein Leutnant grinste, und dann lachten beide. Belial ließ die Zügel los. »Erinnert mich daran, mein Freund, daß ich vielleicht das nächste Mal nicht dabei sein kann, wenn Ihr mal wieder Euren Mut kühlt. Vorhin befürchtete ich schon, Ihr wolltet sogar mich aufspießen!« Er musterte den Axtherrn besorgt. Als sein Blick auf seine Hände fiel, erstarrte Belial, blieb ihm das Lachen im Hals stecken.
»Axis!« keuchte er. »Schaut nur, was Ihr da haltet!«
Und der Krieger sah, daß sich die Finger seiner Linken um den Schädel eines der getöteten Geister gekrallt hatten. Ein erstaunlich solider Körperteil. Eins der Augen war durchbohrt und vollkommen ausgelaufen, und das andere blickte starr ins Nichts. Schlaff hing das Maul nach unten; nur seine riesigen Zähne glitzerten im Sonnenlicht. Die aschfarbene dünne Haut hing so lose über den Knochen, daß man glauben konnte, sie würden jeden Augenblick durch sie hindurchstechen.
Axis hob den Schädel hoch, damit ihn alle Soldaten sehen konnten. »Schaut her!« rief er ihnen zu, und seine Stimme schallte triumphierend über die eisige Weite. »Sie können sterben!« Der Krieger wandte sich an Magariz. »Ich glaube, das wäre das geeignete Geschenk für Bornheld.« Der Fürst zuckte unter der grimmigen Stimme und dem harten Blick des Axtherrn ein wenig zusammen.
Arne war der einzige in der Truppe, der seine Aufmerksamkeit nicht allein auf den Krieger richtete, sondern den Blick unablässig über die Weiten vor ihnen schweifen ließ. Jeden Moment schien er mit einem neuen Hinterhalt zu rechnen. »Axtherr!« zischte er schließlich. »Hinter Euch.«
Axis wendete Belaguez mit angespannter Miene. Ein Wesen, wie es nur einem Alptraum entsprungen sein konnte, kam furchtlos auf sie zu. Magariz zog scharf die Luft ein. »Ist das eine von den Kreaturen, die Euch angegriffen haben?« fragte der Krieger ihn. Der Fürst nickte. »Ja, aber seit dem Angriff auf Gorken sind sie gewachsen und haben sich deutlich verändert.«
Axis’ Rechte wanderte zum Schwertgriff.
Etwa fünfzehn Schritte vor ihnen blieb das Geschöpf stehen, ein massiges Wesen, das sich gleichwohl graziös zu bewegen verstand. Einen gewöhnlichen Mann übertraf es eindeutig an Größe und Gewicht, bewegte sich jedoch, wie es den meisten in der Gruppe erschien, wie eine Katze. Den Anblick seines Kopfes vermochte man kaum zu ertragen: einesteils der eines Vogels, zum anderen der eines Menschen und zum dritten glich er einer Bestie. Anstelle eines Mundes hatte die Kreatur einen gebogenen Schnabel und war mit gefährlichen Hauern ausgerüstet. Augen und Stirn ähnelten denen der Menschen, aber sonst waren Gesicht und Schädel aufs Geratewohl mit Federn und Fell bedeckt. Der Rest des nackten Körpers war hingegen so schuppig wie der einer Echse. Aus Händen und Füßen wuchsen todbringende schwarze Klauen, und auf seinem Rücken befanden sich zwei schwarze
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