Sternendieb - Roman
sie keine Antwort.
»Zieht endlich die verdammten Anzüge an.«
Sie taumelten an ihr vorbei in den Frachtraum.
Tatsächlich wusste Tabea Jute genauso wenig über die Cherubim Bescheid wie jeder andere in diesem Cockpit, und noch weniger als die meisten anderen. Aber sie war aufgedreht, wütend und unausgeschlafen, und sie ließ all ihrem Frust und Argwohn freien Lauf.
Sie hing in der Öffnung des vorderen Frachtraumschotts, mit dem Rücken zu den Stiegen, die ins Cockpit führten, wo sich hinter dem Sichtfenster dieser dunkelgrüne Koloss blähte.
»Ihr habt nicht zufällig irgendwelche Waffen hier versteckt? Natürlich nicht. Außer toten Frasquis nichts gewesen, wie?« Sie sah sich grimmig um.
»Oh«, sagte Mogul leichthin. »Was das betrifft …« Mit einer Handbewegung, die an einen betrunkenen Schwan erinnerte, holte er etwas aus der Luft, etwas, das dunkel schimmerte. Eine stahlblaue Handfeuerwaffe.
»Aus der Nähe«, sagte er leichthin, »kann sie wahre Wunder wirken.«
Tabea streckte die Hand aus.
Er sah sie nachdenklich an. »Ich glaube, bei mir ist sie besser aufgehoben.«
Tabea kletterte ins Cockpit zurück, um ihre Tasche zu holen.
Die Nackte Wahrheit dräute über ihnen wie ein dunkelgrüner Planet, so nahe inzwischen, dass sie eigentlich nicht mehr über ihnen, sondern unter ihnen dräute, und sie fielen unaufhaltsam in ihr Netz.
Dunkelgrünes Metallwerk füllte das Gesichtsfeld. Es fehlte der Größenvergleich. Es war unmöglich zu sagen, wie tief die Nackte Wahrheit unter ihnen lag. Sie bildete ein regelrechtes Terrain, eine Landschaft mit lauter Lichtern. Die große, hell erleuchtete Beobachtungskanzel sah aus wie eine Stadtkuppel, die heraufwuchs, als wolle man sie darauf landen lassen. Die kleineren Lichter, Geschützscharten und Bullaugen, hätten ebenso gut die Nachtlichter von verstreuten Gebäuden und entlegenen Farmen sein können. Dieser kreisrunde Teich, der so ruhig und friedlich im Mondschein glitzerte, war die Mündung des Traktorstrahlprojektors, der sie unerbittlich heimsuchte.
Und ringsum reckten sich die Ausläufer des Lähmungsnetzes wie Spinnweben, die auf eine Fliege warten. Tabea sah das verkohlte und zerfetzte Metall, wo die Torpedos eingeschlagen waren. Diese Schäden waren belanglos im Vergleich zu anderen, genauso schlimm zugerichteten Bereichen, aus denen Beschickungsgut sickerte, das schwarz, zerbeult und knittrig aussah.
Das Lähmungsnetz stieg ringsum empor und umfing die Alice Liddell .
»So ist’s recht« , tröstete die lautstarke Stimme. »Macht euch k …«
In der Nackten Wahrheit schien sich ein greller Lichtblitz zu entladen. Dann erloschen all ihre Lichter.
Die Illusion einer Landschaft war dahin. Unter Tabeas Augen herrschte absolute Finsternis. Die Beobachtungskanzel, die Geschützscharten, die Bullaugen, der Traktorstrahlprojektor, alles erloschen und schwarz.
Tabea fühlte, wie sich die Gravitationsverhältnisse änderten und die Alice Liddel Auftrieb bekam. Die kleine Kobold gab sich aufrichtige Mühe, das größere Schiff zu umkreisen.
Tabea flog zur Konsole, aus ihren Kopfhörern drang eine Stimme, eine winzige diesmal.
»Gute Nacht« , raunte die Stimme.
Sie gehörte Xtaska.
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> MODUS? VOX
> SD? 09.07.07
> READY
> Hallo, Alice.
> HALLO, KÄPT’N.
> Was machen die jetzt?
> SIE PROBEN NOCH IMMER. WILLST DU MITHÖREN?
> Nein danke.
> Erinnern dich die Zwillinge nicht auch an Tricarico Palynides?
> ICH HABE TRICARICO PALYNIDES LEIDER NIE ZU GESICHT BEKOM - MEN, KÄPT’N.
> Es war Tricarico, der mir zum ersten Mal von der Léonor Casares erzählt hat. Ich glaube, ich habe ihm das gar nicht abgenommen. Jedenfalls nicht damals.
> ICH HABE DAS AUCH NICHT FÜR MÖGLICH GEHALTEN, BIS WIR IHR BEGEGNET SIND.
> Erinnerst du dich noch daran?
> OJA.
> Wir waren auf einer weiten Schleife von Autonomia nach Dione, mit einer Schote Null-G-Kristallen für das Veterinär-Hospital, sechs Tage nach dem Sprung, und du sagtest, da wäre ein treibendes Wrack auf dem Teleschirm.
> UND DU HAST GESAGT, DAS KÖNNTE NICHT SEIN!
> Das sage ich noch immer.
> WOMIT DU SAGEN WILLST, DASS DIE LÉONOR CASARES KEIN WRACK IST.
> Ist sie auch nicht. Sie ist immer noch unterwegs.
> MIT EINUNDVIERZIG JAHREN VERSPÄTUNG.
> »Es war die Léonor Casares, die Tibor Lipspeck von Luna nach Ganymed bringen sollte, mit
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