Sternendieb - Roman
»dass sie sich tapfer geschlagen hat. Capella hat das Plazet für eure Adaptierung gegeben«, sagte er an die Adresse aller drei Nicht-Kuratoren.
Sarah wirkte niedergeschlagen. Traurig zwirbelte sie einen Kressestängel zwischen Daumen und Zeigefinger. Sie fragte: »Könnt ihr Tote wieder lebendig machen?«
Es gab eine winzige Pause.
»O mein Liebes«, sagte Schwester Veronika betrübt.
»Dein armer guter Bruder.« Schwester Margret schüttelte ihr bekränztes Haupt. Die Schwestern, offenbar nicht nur Schwestern in Capella, sondern auch Geschwister, starrten einander in Liebe und Kummer an. Sie hätten ebenso gut in den Spiegel blicken können.
»Armes Kind«, sagte Bruder Felix leise. »Trink noch einen … einen Schluck Wein«, sagte er heiser, wandte sich ab und schnäuzte sich die Nase.
Sarah blickte von einem riesigen Gesicht zum anderen.
Tabea nahm über das Picknick hinweg ihre Hand. Xtaska schwebte näher heran, ganz still.
»Und was ist mit Marco?«, wollte Sarah wissen. »Mit Marco Metz? Wir mussten ihn auf der Venus zurücklassen. Soll er auch adaptiert werden?«
Bruder Felix schien nachzudenken, an seinen Schläfen pulsierten die mächtigen Adern. »Tja«, sagte er dann bedächtig, »findet ihr nicht auch, dass Marco Metz ein reichlich frecher Bursche ist? Ich finde« - er bat mit einer Geste um eine neue Scheibe Brot -, »die Venus ist gerade richtig für ihn.«
Sarah stützte sich hoch, die Faustknöchel gruben sich in den nachgiebigen Boden. »Aber die Venus wird ihn umbringen!«, protestierte sie, derweil das Brot sich gehorsamst von einer Scheibe trennte, die auf den Teller von Bruder Felix wanderte.
»Nicht, wenn er sich vorsieht«, sagte er. »Weißt du, das Leben eines Schiffbrüchigen kann manchmal ganz lustig sein.«
»Besonders mit einem gebrochenen Bein«, fügte Tabea säuerlich hinzu.
Bruder Felix machte eine vage Bewegung mit dem Buttermesser. »Man wird fertig mit den leiblichen Belangen.« Er biss ein großes Stück Brot ab und kaute. »Man - arrangiert sich - m’em Leben …«
»Man kommuniziert mit der Natur«, sagte Schwester Veronika.
»Ungestört und weit weg vom Tohuwabohu des Systems«, pflichtete ihre Schwester, Schwester Margret, bei.
Bruder Felix schluckte gewaltig. »Vielleicht erleben wir ja noch einen geläuterten Marco Metz!«, sagte er strahlend. Er legte sich ein Stück Camembert auf den Rest der Brotscheibe und verankerte den Käse mit einem kräftigen Zeigefinger fest auf der Butter. »Was meint ihr?« Es klang tatsächlich so, als legte er Wert auf ihre Meinung.
Tabea schnaubte regelrecht und warf sich rücklings auf die Ellenbogen. Sie rührte mit den Fingern im Gras und rupfte wütend drauflos. Für jedes Büschel, das sie ausriss, spross auf der Stelle neues Gras aus dem Boden und füllte die Lücke auf. Xtaska, die das bemerkte, drückte unauffällig ihre Schwanzspitze in den Boden und begann, diversen Parametern auf den Zahn zu fühlen.
»Ich glaube, er wird sterben, wenn man nicht rasch etwas unternimmt«, sagte Sarah unglücklich.
»Also, Liebes, dann unternehmen wir etwas«, sagte Schwester Veronika. »Gleich nach dem Essen.«
»Wir müssen deinen Geist von allen Sorgen befreien«, sagte Schwester Margret.
Die Geschwisterschwestern nickten und beglückten einander mit einem seligen Lächeln.
Tabea wollte die riesigen Schädel zusammendonnern. Sie wollte mit einem Blitzwerfer Amok laufen. Sie wollte zur Alice , sie wollte in ihrem demolierten Cockpit sitzen und heulen. Sie wollte sich in die Sonne strecken, die Tasche unterm Kopf, und schlafen und nie mehr aufwachen. Bittergallig, wie sie war, knibbelte sie ein Stückchen von der Brotkruste herunter. »Was wisst ihr denn schon von Freiheit?«, sagte sie.
Wie auf Kommando drehten sich die Schwestern um und bedachten sie mit einem liebevollen Lächeln.
Schwester Margret breitete die offenen Hände aus, in einer Geste, die die ganze Gesellschaft adaptierter Müßiggänger ringsherum und all die Bäume und Blumen und Paradiesvögel umfasste.
»Sieh dich um, Tabea«, sagte Schwester Veronika.
Tabea nahm einen tüchtigen Schluck von ihrem Wein und stützte das Kinn auf die Faust und betrachtete gleichgültig ihre Umgebung.
»Nicht schlecht für die Oberfläche vom Misthaufen«, sagte sie.
Doch es schien unmöglich zu sein, diese Leute aus der Fassung zu bringen.
»Freiheit ist Macht«, sagte Xtaska rundheraus.
»Ich finde«, fügte Sarah hinzu, während sie Ärmel und Hosenbeine des
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