Sternendieb - Roman
erzählen«, sagte Bruder Felix, der zusehends fideler wurde, sofern man noch fideler sein konnte, als er es ohnehin schon war. Er setzte seine beringten Hände auf die Knie und begann zu schaukeln wie eine Boje.
Schwester Veronika hob die Hand zu einer Geste galanter Bewunderung. »Die Alice Liddell war ein großartiger Gegner.«
»Da hast du’s, was habe ich dir gesagt«, sagte Bruder Felix. Nach hinten gekippt knöpfte er seine Felltasche auf und zog die Magnetplatte heraus. »Hier ist sie.« Er hielt sie an einer Ecke hoch. »Alice höchstpersönlich, komplett.«
»Oh, lass mal sehen«, sagte Schwester Margret.
»Gib mir das«, flüsterte Tabea, erhob sich auf die Knie und streckte die Hand über das Picknicktuch. Sie reckte sich so weit vor, wie es weiter nicht ging.
»Du kannst jetzt nichts mehr damit anfangen, Liebes«, stellte Bruder Felix klar und händigte die Platte Schwester Margret aus.
»Wenn du erst adaptiert bist, wirst du keine Zeit mehr finden, Raumschiffe zu fliegen!«
»Das stimmt, Tabea«, sagte Schwester Veronika freudig, während Tabea an den Boden zurückkippte. »Du wirst nie mehr einen Frachter fliegen müssen.«
»Du wirst dann eine von uns!«, lächelte Schwester Margret.
»Da würde ich lieber zum Keck«, versetzte Tabea bissig.
Die drei Kuratoren hielten das für einen guten Witz. Sie mussten herzhaft lachen.
»Wie wird es gespielt«, fragte Xtaska, »dieses Spiel?«
»Nun ja«, sagte Schwester Veronika, »ein richtiges Spiel ist es eigentlich nicht.«
»Eine Zerstreuung. Ein Zeitvertreib«, meinte Schwester Margret.
»Wir schließen Wetten ab«, sagte Bruder Felix, als müsse er eine Schandtat eingestehen.
»Wir fordern uns gegenseitig heraus, die Sache laufen zu lassen, egal was es ist«, sagte Schwester Veronika.
»Um dann zu sehen, wer als Letzter die Nerven verliert und eingreift«, sagte Schwester Margret.
Die Schwestern blickten Bruder Felix an.
Bruder Felix sah verlegen aus und schmunzelte. »Ich habe verloren«, meinte er.
Die Schwestern lachten hell auf.
»Die lagen gut im Rennen«, hielt ihnen Bruder Felix entgegen. Er begann, die Pluspunkte an den Fingern aufzuzählen. »Eine alte Frasqui-Königin, die nach all der Zeit aus dem Wandschrank kommt.«
»Niemand hat von ihr gewusst«, betonte Schwester Veronika.
»Und dann tauchte sie plötzlich auf, und das in einer adaptierten Sanzar-Kobold«, fuhr Bruder Felix unbeirrt fort.
»… mit einem Cherub an Bord!«, setzte Schwester Margret den Schlusspunkt in einem Tonfall, der dem unergründlichen Einfallsreichtum des Universums huldigte.
Die Kuratoren schauten alle drei auf Xtaska, als zollten sie ihr Respekt für ein Kunststück, das, weiß Capella, so schnell niemand fertigbrachte.
»Eine absolut außergewöhnliche Koinzidenz«, proklamierte Bruder Felix, indes große Köpfe rings um das Picknicktuch nickten. »Was soll man sagen? Schade um die Hardware!«
Die Kuratoren mussten das lustig finden, denn sie lachten alle miteinander.
Bruder Felix, der im Schneidersitz dasaß, schwang wie auf einem unsichtbaren Drehschemel herum, hob sein breites, gütiges Gesicht in die unerklärliche Sonne und ließ seinen Blick über die Gärten, die Kinder, die Parlierenden, die Musikanten, die Angler und die Drachensteigenlasser schweifen. Der Tag war allezeit warm; nicht mal ein Hauch von Kälte erinnerte daran, dass man eine Blase fürsorglicher Unwahrscheinlichkeit bewohnte, eine Seifenblase ausbalancierter Parameter auf der gefrorenen Atmosphäre von Plutos Mond. Nur der vage düstere Streifen rings um die Grasnabe zeugte von der lichtlosen, infernalischen, ewigen Kälte jenseits des Mikroklimas.
Schwester Veronika beugte sich zu Tabea hinüber, die Ringe an ihren weißen Fingern blitzten im Sonnenlicht. » Einige Leute waren überzeugt, du wüsstest etwas, das wir nicht wissen«, deutete sie vertrauensvoll an.
Bevor Tabea antworten konnte, kam Schwester Margrets Hand und tätschelte ihr tröstend den Arm. Es war ätzend, wie sie einen die ganze Zeit betatschten. »Ach, mach dir nichts draus«, sagte Schwester Margret, »wir wissen, dass du nichts weißt.«
»Du hattest nicht den leisesten Schimmer, was vor sich ging, nicht wahr?«, sagte Bruder Felix. »Du hast nur deinen Job gemacht.«
Tabea biss die Zähne zusammen, sagte nichts.
»Nun, Tabea, du hast nichts zu befürchten«, fuhr er fort.
»Überhaupt nichts«, sagten die Schwestern wie aus einem Mund.
»Ich habe ihr gesagt«, meinte Bruder Felix,
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