Sternendieb - Roman
nach Plenty zu bringen, das war ein Katzensprung. Es konnte sogar reizvoll sein. Überhaupt nicht sicher war sie sich dagegen, was den Transit zum Titan betraf. Immerhin war das kein Zuckerschlecken, und sie musste es mit ihm und einer Bande Fremder aufnehmen. In den Abgründen des Hyperraums konnten sie ihr ganz schön auf die Nerven gehen.
Sie gab es auf. Vielleicht konnte sie umdisponieren, wenn sie erst mal in Plenty war und ihren Quarz hatte.
Sie erhob sich und ging zum Fon.
»Wen willst du anrufen?«
»Die Polizei. Damit wir die Zweihundertfünfzig loswerden und freie Fahrt haben.«
»Oha«, sagte er. Es klang nicht gerade enthusiastisch.
Tabea hielt inne, den Hörer in der Hand. »Ist das so in Ordnung?«
»Ja sicher«, meinte er. »Mach schon. Mach!«
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> SD? 07.07.52
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> Hab ich dir übrigens schon von Rella erzählt, Alice?
> NEIN, KÄPT’N. NICHT DASS ICH WÜSSTE.
> Sie war auf ihre Art ziemlich wichtig für mich.
> Sie war so Mitte fünfzig, glaube ich. Etwa meine Größe, aber stämmig. Und schwer. Sie hatte schreckliche Zähne mit schwarzen Füllungen und langes, zerzaustes Haar, das immer so aussah, als ginge es eben aus der Form. Sie trug eine Unmenge Ringe an den Händen, und sie trug nur Overalls. Sie meinte, im Overall beachte einen niemand.
> Rella lebte in einem Lagerraum unter dem Verladebahnhof Poseidon. Führte also kein richtiges Leben. Das war ihre Basis. Da sehe ich sie ständig vor mir, wenn ich an sie denke, auch wenn sie mich anfangs nicht mitnahm nach dort unten. Zum ersten Mal bin ich ihr oben auf der Plattform begegnet. Zwölf oder dreizehn war ich damals. Ich kam gerade von den Labors auf Menelaus zurück, wo ich irgendwas zu erledigen gehabt hatte. Rella untersuchte die Kisten.
> Sobald sie mich sah, hörte sie damit auf. Sie sagte: »Was starrst du so?« Sie hasste es, wenn man ihr dabei zusah, wie sie die Kisten untersuchte. Sie hätte es nie zugegeben, dass sie sie ständig untersuchte.
> Aber, heh, das ist nicht fair. Rella konnte schon gut bei der Stange bleiben, wenn sie wollte. Sie war Putzfrau, und sie hat in der Hydroponik gearbeitet und in Kantinen. Da war sie gut drin. Aber sie war nie mit den Gedanken bei der Sache. Früher oder später lief es darauf hinaus, dass sie sich einfältig bei den Kisten herumtrieb.
> »Was starrst du so?«, sagte sie. Sie hatte eine leidenschaftliche, kaputte, rauchige Stimme, die mir jedes Mal unter die Haut ging. Ich habe keine Ahnung, warum sie mit mir geredet hat, was sie an mir fand und warum sie mich nicht genauso ignoriert hat, wie sie das mit allen anderen machte. Da war ein ganzer Schwung Leute in der Halle, die alle von der Frühschicht kamen. Vermutlich war
ich der Einzige, der seine Zeit damit vertrödelte, ihr zuzusehen, anstatt einfach vorbeizugehen, als ob sie Luft wär.
> Bei diesem ersten Mal, da bin ich weitergegangen. Aus Verlegenheit.
> Sie rief hinter mir her: »Hast du eine Katze verschluckt?«
> Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was sie damit meinte.
> AUF DEM MOND GAB ES DOCH SICHER KEINE KATZEN. GENAUSO WENIGWIE ESDA HUNDE GAB, ODER?
> Ich habe nie eine gesehen. Aber Rella, die habe ich von da an immer und überall auf der Station gesehen. Sie trieb sich ständig herum; sie machte die Leute argwöhnisch. Das blieb nicht aus. Hätte man sie auf frischer Tat ertappt, hätte man sie ins Meer des Regens oder sonstwohin verfrachtet. Sie war schon in solchen Anstalten gewesen. Das war die Hölle für sie. Es muss reichlich Personen gegeben haben, die am Ende eingesperrt wurden.
> Wenn ich sie sah, lächelte sie mir immer zu. Es kam mir so vor, als verwechsle sie mich mit jemand, den ich nicht kannte, der aber von Bedeutung war. Einmal musste ich eine halbe Stunde auf den Zug warten. Sie kam zu mir heraufgeschwankt. Sie war betrunken.
> »Ich habe Papiere«, versicherte sie mir. »Ich will sie dir zeigen.«
> Ich war überhaupt nicht neugierig darauf.
> »Ich trage sie nicht mit mir rum«, gluckste sie. »Man weiß nie, wer einen beobachtet. Bastarde.«
> Tatsache ist, sie hatte wirklich Papiere, Pass, Ausweis, Arbeitserlaubnis und all so was. Jeder Zweite war illegal auf dem Mond, sie arbeiteten schwarz und machten die Jobs, die sonst keiner machte. Aber Rella war eine registrierte Bürgerin von Luna. Später hat sie mir die Papiere gezeigt. Sie hielt sie in einer Schachtel
versteckt, im
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