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Sternendieb - Roman

Titel: Sternendieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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ab, und gleich sah die Welt wieder ganz anders aus. Sie trat ans Fenster und zog vorsichtig die Jalousie hoch.
    Es war noch sehr früh. Die Sonne war ein mandarinenfarbener Klecks an einem quirligen Brombeerhimmel. Darunter lagen zwischen den Glassäulen der Maserati-Allee düstere Schlieren aus Kehrricht und Abfall. Jenseits der Dächer zog ein einsames Streifenboot der Polizei dahin, das Einzige, was sich zur Zeit auf dem kalten Band des Canal Grande bewegte.
    In ein großes grünes Badetuch gewickelt verließ Tabea das Bad. Sie spähte ins Schlafzimmer. Der Hügel unter der Steppdecke hatte seine Lage nicht verändert.
    Sie tapste im Halbdunkel herum, bis sie fand, was sie suchte. Die Küche war sehr geräumig und sehr, sehr weiß. Hoffentlich hatte er Fruchtsaft im Kühlschrank. Grapefruit, dachte sie schmachtend. Sie beschloss einfach, dass im Kühlschrank Grapefruitsaft war.
    Doch der Kühlschrank war leer. Oder so gut wie. Es gab ein transparentes Plastikkissen mit semig braunem Inhalt, vielleicht Schokopaste oder Sojasoße. In einer offenen Blechbüchse lag eine vergammelte, mit Salz verkrustete Sardelle, und der verschmierte Klecks auf einer Untertasse erinnerte entfernt an Ligurische Soße. Oder Papageienkotze, dachte sie grimmig.

    Talo war im Wohnzimmer, auf seiner futuristischen Sitzstange.
    »Guten Abend«, schnarrte er.
    »Morgen, Talo«, murmelte Tabea.
    »Guten Abend.« Er klang wie ein keckes, altes Männlein.
    Verstreut auf dem Boden lagen Kleidungsstücke. Einige gehörten ihr. Sie las sie auf und zog sie wieder an. Der Papagei sah ihr interessiert zu. »Sieh mich nicht so an, Talo.« Aber er hörte nicht auf sie. Sie mochte es nicht, wenn der Vogel sie so beobachtete.
    Als Nächstes sah sie sich nach ihrer Tasche um und entdeckte sie auf einem langen, niedrigen Tisch. Irgendwo da drin musste ihre Zahnbürste sein, und sie begann danach zu graben. Sie fand sie nicht. Statt dessen stieß sie ganz am Boden auf einen Audio-Chip.
    Sie zog das flache Ding heraus und betrachtete es von allen Seiten. Sie entsann sich schwach, es schon gestern Abend entdeckt zu haben. Aber sie konnte sich nicht entsinnen, es wieder zurückgesteckt zu haben. Was immer es damit auf sich hatte, sie wusste nicht, wo das Ding herkam. Es war einfach nur schwarz: kein Etikett, nicht mal der Name des Herstellers oder ein Kürzel. Sie fragte sich, wo sie den Chip hatte mitgehen lassen und wer ihn inzwischen vermisste.
    Direkt neben dem Audio-Chip-Regal stand ein Chip-Player. Tabea ging hinüber und schaltete ihn ein.
    »Unendlicher Schmerz der Einsamkeit!«, krächzte Talo plötzlich.
    Tabea war bis ins Mark erschrocken. »Gott, Vogel, lass das«, knurrte sie. Er ging ihr allmählich auf die Nerven.
    Sie legte den fragwürdigen Chip ein.
    Doch mit dem, was sie zu hören bekam, konnte sie herzlich wenig anfangen: ein sanftes, stetiges Rauschen, hin und wieder ein
flüchtiger hoher Ton, der sich rasch im Ultraschallbereich verlor, und ein immer wiederkehrendes Knistern. Ob sie den Chip richtig eingelegt hatte? Sie hockte sich hin und lauschte, ob sie leise Abtastgeräusche vernahm.
    Marco langte über ihre Schulter und berührte den Stopsensor, zweimal. Der Chip lief im Leerlauf aus.
    Er schob ihr die Hände unter die Achseln und richtete sie auf, wobei er sie herumdrehte, bis sie mit dem Rücken zum Chip-Player stand.
    Er war unrasiert und trug einen schäbigen Frotteebademantel, aus dem die Fäden hingen. Seine großen braunen Augen waren stumpf und ausdruckslos. Er roch nach Wärme und Schlaf.
    Sie trat auf ihn zu und küsste ihn. »Da ist nichts drauf«, sagte sie.
    Er langte noch einmal an ihr vorbei, nahm den Chip aus dem Player und legte ihn aufs Regal. »Du möchtest Musik hören, also lass mich mal sehen«, sagte er rasch und sah an ihr vorbei. Er zupfte einen Chip heraus und legte ihn ein.
    Er begann mitten in einem Musikstück, kehlige, verspielte Klangfiguren, die immer wieder in sich selbst zurückkehrten und von Mal zu Mal weitere Kreise zogen. Die Musik war ruhig und sehr gefällig.
    »Bist du das?«, fragte Tabea.
    »Das?« Marco warf einen flüchtigen Blick auf den Chip, den er eben eingelegt hatte. »Jaja«, sagte er.
    Er warf den mysteriösen Chip auf den Tisch, wo er neben ihrer Tasche landete.
    »Guten Morgen, Talo«, sagte er. Er ging zu seinem Vogel und streichelte ihn. Talo zirpte und knarrte und knabberte an Marcos Finger.
    »Ich fühle mich schrecklich elend«, seufzte Tabea. »Du nicht?«

    »Doch, doch«,

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