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Sternendieb - Roman

Titel: Sternendieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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gedämpften Summton hob sich der Vorhang. Hinter dem Eingang schien die Sonne.
    »Wiesland«, sagte Mogul, als er über die Schwelle trat.
    »Oh, gut«, freute sich seine Schwester. Sie drehte sich nach Tabea um. »Wir bekommen nicht immer Wiesland«, erklärte sie und folgte ihrem Bruder.
    Marco hielt inne und streckte eine Hand aus, um Tabea vorangehen zu lassen. »Wie viel Zeit bleibt uns?«

    »Wenig«, sagte sie. Mehr hätte sie auch gar nicht über die Lippen gebracht, als sie von der zwielichtigen Schwelle in das Mausoleum von Hannah Su trat und sich in einem Wald wiederfand, der sich rasch lichtete und von feuchtem grünen Gras unter einem klaren blauen Himmel abgelöst wurde.
    Sie staunte Bauklötze. Zeitlebens hatte sie nicht so viel Grün zu Gesicht bekommen, so viel Sonnenlicht durch dichtes Blattwerk fluten sehen. Jenseits der Bäume erstreckte sich das Grasland ohne Unterbrechung bis an den Horizont. Hinter sich im Wald hörte sie Vögel singen.
    Sie wollte sich nicht umsehen.
    Talo war wie üblich unbekümmert drauflosgeflogen. Tabea konnte ihn kaum ausmachen. Er saß auf einem Ast, hellgrünes Gefieder inmitten saftig grüner Blätter.
    Da draußen war etwas, da draußen auf der endlosen Wiese.
    Es war klein und schwebte ein paar Meter über dem Gras. Gegen die Sonne blinzelnd hatte Tabea den Eindruck von etwas, das schwarz und silbrig war, aber sie konnte es nicht genau erkennen.
    Am Boden, unter dem schwarzen schwebenden Ding, lag wie ein dichtes weißes Wölkchen ein kleiner Kokon. Er schien auf den Grasspitzen zu liegen. Aus dem weiter entfernten Ende sahen Kopf und Schultern einer gelben Frau heraus.
    Das schwarze Ding schien auf die Frau hinunterzublicken.
    Obwohl die Sonne schien, war die Luft frostig kalt. Die Zwillinge gingen rasch in Richtung des Kokons. Marco ging neben Tabea. Ihre Füße machten kein Geräusch im Gras.
    Sehr bedächtig blickte sie über die Schulter zurück.
    Sie sah erwartungsgemäß einen Wald, die Bäume standen so dicht wie eine Wand. Durch die Lücken war kaum etwas auszumachen. Es war schwer zu sagen, wie tief der Wald war.

    Tabea war zufrieden. Es handelte sich hier nicht um ein Mikroklima, nicht um einen verzögerungsfreien Materietransmitter; es handelte sich lediglich um eine von diesen Masken, auch wenn es eine verdammt teure war. Schwer zu sagen, wie wirklichkeitsgetreu die Maske war, aber sie war ziemlich detailliert. Es roch sogar nach feuchtem Erdreich und saftigem Grün, aber diese Gerüche konnten die antiseptische Aura der Ultraschalltechnologie nicht gänzlich überdecken.
    »Tabea«, rief Marco.
    Sie sah wieder nach vorne.
    »Jetzt besorgen wir dir das Geld«, sagte er. »Das ist das Erste, was wir tun.«
    Dann schien er zu bemerken, wie sie alles und jedes ringsum in Augenschein nahm. »Gefällt es dir? Der letzte Schrei«, sagte er. »Kühlsärge sind billiger, aber um keinen Deut hübscher.«
    »Der Horizont ist ein bisschen nah«, sagte sie.
    »Ach komm schon«, sagte er.
    Der Horizont war wirklich zu nahe, jetzt, da sie noch einmal kritisch hinsah, aber sie wollte nicht kleinlich werden.
    »Ist sie das?«
    »Das ist Hannah. Hannah Su. Die netteste Leiche in der ganzen Anlage.« Dabei machte er eine Geste, die die ganze leere Landschaft umfasste. Eine Brise spielte mit seinem schwarz glänzenden Haar.
    Tabea öffnete den Mund, um nach dem anderen Ding zu fragen, das über den sterblichen Überresten von Hannah schwebte, aber sie ließ die Frage unausgesprochen.
    Sie wusste, was es war.
    Es war gedrungen und glänzte wie schwarzes Metall. Es hatte einen großen Kopf und den Körper eines Säuglings, aber keine Beine. Es steckte bis zum Kinn in einer Plastikhülle.

    Dieses Geschöpf (es war real und lebendig, da war sie sich sicher) saß mitten in der Luft auf einer silbrigen Metallscheibe. Es kehrte ihnen den Rücken zu. Tabea konnte erkennen, dass es so etwas wie einen Schwanz besaß, einen silbrigen Metallschwanz, dessen Ende oben auf der Scheibe in einer Buchse steckte.
    Sie hatte zeitlebens noch keinen von denen zu Gesicht bekommen, aber um etwas anderes konnte es sich nicht handeln …
    Marco und Tabea holten die Zwillinge ein. Zusammen näherten sie sich dem wolkigen Kokon.
    Das schwebende Geschöpf drehte sich bei ihrer Ankunft um.
    Es sah Tabea an.
    Seine Augen waren kirschrot. Sie glühten wie die Rücklichter eines weit entfernten Gleiters.
    Es war ein Cherub. Ein Cherub, fast zum Greifen nahe. Ein Cherub in einer menschlichen

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