Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sternendieb - Roman

Titel: Sternendieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
zunächst überhaupt nicht einordnen konnte. Sie stöhnte und fuchtelte mit einem ausgezehrten Arm in der Luft herum. Aus ihrer Nase rann durchsichtiger Schleim und tropfte auf das versengte Fundament. Im sporadischen Licht der Radiumfackeln und im trüben Schein der Protonenbäder ähnelte sie einem Höllenbewohner, den ein besonders rigides kybernetisches Martyrium in den Wahnsinn trieb.
    Das, was sie in Wahrheit war, lief im Grunde auf dasselbe hinaus. Wie eine verdammte Hexe ihre dienstbaren Geister, so rief sie ihre Herde herbei, und die Drohnen kamen rasch durch die Schneisen der Werft gesummt, um sich der glücklosen Skipperin anzunehmen.
    Tabea begann wieder zu laufen.
    In einiger Entfernung nahmen die Drohnen röhrend ihre Spur auf.
    Verzweifelt spurtete sie auf einen schmalen Blechsteg hinaus. Als sie den Steg zur Hälfte hinter sich hatte, packte sie das Geländer, ging in die Knie und schwang sich hinüber.
    Und fiel.
    Mit einem dumpfen, hohlen Echo landete sie auf einem träge rollenden Transportband mitten unter unförmigen Klumpen aus geschmolzenem und zerfetztem Metall. Auf einem Knie und mit wild rudernden Armen gelang es ihr, weder das Gleichgewicht noch die Tasche zu verlieren. Während das Band sie in lichtlose Schwärze trug, warf sie den Kopf in den Nacken.

    Die vielen roten Betriebslichter der Drohnen oben auf dem Laufsteg fielen in die Düsternis zurück.
    Tabea sah nach ihrem eigenen roten Blinklicht. Sie bewegte sich langsam aber sicher in die falsche Richtung.
    Sie sprang vom Band, blieb mit dem Absatz in der Spurfelge hängen und verrenkte sich schmerzhaft den Fuß. Keuchend und fluchend lag sie auf dem rauen Beton.
    Das leise Knirschen gewaltiger Stahlkiefer und das Quietschen zermalmten Metalls sagten ihr, dass sie keine Sekunde zu früh abgesprungen war.
    Neben dem Transportband kauernd und ihren pochenden Fuß schonend, versuchte sie es wieder mit dem Armbandmonitor. Zu ihrer Verwunderung klarte er sogleich auf und zeigte für ein paar Augenblicke ein perfektes Bild der Alice Liddell . Der Frachtraum stand nach wie vor offen, und alle vier Ladearme waren emsig bei der Arbeit. Marco Metz und Mogul Zodiak steuerten die Arme und ließen sie Stück um Stück aus einem wirren Haufen Gepäck herauspicken.
    Und das war ein ansehnlicher Haufen.
    Die Ladearme verstauten das Gepäck im Laderaum.
    Dann zersprang das Bild, fiel auseinander und löste sich in Wohlgefallen auf.
    Mit einem Protestschrei sprang Tabea auf die Füße und wäre vor Schmerz beinahe in Ohnmacht gefallen, als der misshandelte Knöchel sich weigerte, ihr Gewicht zu tragen.
    Im selben Moment schwirrte über ihrem Kopf ein hellgrünes Etwas vorbei, glitzernd in der rauchigen Luft.
    »Mir nach! Mir nach! Mir nach!«, sang es.
    Sich auf die Rohrleitungen stützend, humpelte sie zur nächsten Ecke, wo sie einen Augenblick auf einem Bein verschnaufte und den pochenden Knöchel massierte.

    Ein Stückchen voraus und ziemlich weit oben saß der Papagei auf dem Vorsprung eines Maschinengehäuses. Er machte exakt das gleiche Geräusch wie die Alice , wenn sie ihren Laderaum öffnete.
    Tabea musste daran denken, wie er sie alle heil aus dem Labyrinth gelotst hatte, nachdem es ihr glücklich gelungen war, das Taxi zum Halten zu bringen.
    »Los, mach schon!«, schrie sie mit schriller Stimme und hinkte und schwankte die Schneise hinunter. Ihre Stiefel brachten die Metalltreppe zum Klingen, die sich spiralig zwischen den still und verlassen daliegenden Schiffsleibern emporschwang: einer Vassily-Svensgaard-Dromedar, einer Freimacher-Adler, einer Mini-Subquark, dem Statussymbol irgendeines schmerbäuchigen Datakraten. Talo war ein grünes Flattern oben zwischen den schwarzen Eisenkolossen und der russverschmierten Schildkrötenschale.
    »Sriti eugenveldt!«, kreischte er. Das Echo wurde hin und her geworfen in dem beinernen Schacht. Dann war er verschwunden.
    Tabea wusste, sie befand sich hoch über den Dockanlagen und balancierte auf einem Stahlgitter, das Teil eines langen, gekrümmten Fahrstuhlschachts mit offenen Seiten war. Von links oben kam jetzt etwas Großes rasch den Schacht heruntergerumpelt.
    Tabea langte wild entschlossen in die Finsternis jenseits des Liftschachts und klammerte sich an das Erstbeste, was sie zu fassen bekam. Es glitt fort und zog sie aus dem Gleichgewicht. Die Tasche trennte sich von Tabeas Hüfte, und Tabea kippte ins Dunkel.
    Der Lift donnerte nur zentimeterweit an ihren haltsuchenden Beinen vorbei, als sie

Weitere Kostenlose Bücher