Sternenfall: Roman (German Edition)
schwarzen Himmel. Schwebend hielten sie einander mit der unbewussten Entspanntheit der lange Verheirateten bei den Händen.
»Was ist mit diesen kaputten Maschinenkontrollschaltungen? Sollen wir sie ersetzen, bevor wir diesem verdammten Kometen hinterherjagen?«
Stormgaard schüttelte den Kopf. »Nein, es sei denn, wir hätten vor, noch eine weitere Runde um Jupiter zu drehen. Schmidt oder Rodriguez müssten in den Anzug und rausgehen. Ich möchte nicht draußen sein, wenn die Astronomen plötzlich beschließen, in eine andere Richtung gucken zu wollen.«
Sie nickte. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Crewmitglied von einer der Korrekturdüsen zerstrahlt werden könnte, war zu groß, um jemanden während der Teleskopbeobachtungen hinauszulassen. Bevor jemand die Sicherheit des Habitatmoduls verließ, wollte sie die Düsen erst wieder unter ihrer persönlichen Kontrolle haben.
Das Schemadiagramm auf dem Nebenschirm zeigte eine Serie von farbigen Rechtecken, die durch komplizierte Linienmuster miteinander verbunden waren. Jedes Rechteck hatte mindestens eine verborgene Bedeutung; manche hatten mehrere. Außerdem war das Diagramm nicht statisch. Sogar jetzt beim Zusehen veränderte einer der Kästen seine Farbe und erhielt einen neuen Code. Der Kapitän war relativ geschickt im Lesen der Symbole, doch der Erste Ingenieur war der Experte in der Familie.
Kyle Stormgaard hatte die Elektronikwissenschaften vor langer Zeit zu seinem Spezialgebiet gemacht, sogar bis zu dem Punkt, dass er ihre Geschichte und Entwicklung studierte. Die Geschichte der Elektronik, hatte er seiner Frau oft erklärt, war eine Entwicklung voller Widersprüche. Erfindungen von exponentiell zunehmender Komplexität hatten irgendwie immer simplere Formen der Anwendung hervorgebracht. Zu Beginn der Entwicklung des Fachs war jedes funktionelle Element durch einen einzigen diskreten Baustein repräsentiert worden. Widerstände, Kondensatoren, Spulen, Vakuumröhren, Dioden und Transformatoren waren alle mühsam von Hand zusammengebaut worden. Später hatte man die Verdrahtung von Hand durch gedruckte Schaltungen und die Vakuumröhren durch Transistoren ersetzt. Nach nur wenigen Jahrzehnten hatten die Transistoren integrierten Plastikschaltungen mit dem Aussehen von Küchenschaben Platz gemacht und danach der kurzlebigen Technologie der Oberflächenpunktierung.
Dann hatte jemand zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts die endgültige integrierte Schaltung entwickelt, die so programmiert werden konnte, dass sie jede beliebige Schaltung simulierte. Welche Funktion die Schaltung ausübte, hing dabei von der Software ab. Sobald diese ›virtuellen Funktionen‹ einmal in die Schaltung einprogrammiert waren, konnten sie von einem Moment zum anderen verändert werden. Damit war das ›elektronische Multifunktionsmodul‹ geboren.
Anstelle von Tausenden spezialisierter Chips bestand die elektronische Ausstattung der Admiral Farragut aus ein paar Dutzend Geräten zur Stromversorgung, die mit Millionen identischer Module verbunden waren. Der Hauptcomputer des Schiffes verfolgte in jeder Sekunde, was wohin ging, wobei er die Module je nach Bedarf programmierte und wieder umprogrammierte. Das System hatte den Vorteil, von Natur aus fehlerunempfindlich, redundant und selbstreparierend zu sein.
Dass sie überhaupt gewagt hatten, sich in die Strahlungsgürtel des Jupiter hineinzubegeben, war der grundlegenden Toleranz der Multifunktionsmodule zu verdanken. Wenn ein Modul ausfiel, sorgte der Computer automatisch für einen Ersatz, indem er andere Module umprogrammierte. Das Schiff würde so lange funktionieren, bis so viele Module beschädigt waren, dass der Computer nicht mehr in der Lage war, den Schaden zu kompensieren. Karin Olafson machte sich Sorgen, wann genau dieser Punkt erreicht sein würde.
»Wie wär’s, wenn wir eine kleine Aufräumaktion starten würden, sobald wir zu dem Kometen aufgeschlossen haben?«
»Gute Idee. Wir können die Hülle überprüfen und nachsehen, wie viele Kratzer wir beim Herumschwimmen in dieser Erbsensuppe abbekommen haben.«
»Wie lange dauert’s, bis wir wieder voll einsatzfähig sind?«
Stormgaard blickte auf die Anzeige, wo der gegenwärtige Stand der inaktiven Module aufgeführt war. »Vierzig Stunden, wenn wir uns auf die Crew verlassen. Vielleicht nicht mehr als zwanzig, wenn wir die Passagiere einspringen lassen.«
Karin Olafson nickte. »Alle außer den Astronomen. Ich habe das Gefühl, dass sie den nächsten
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