Sternenfaust - 006 - Gefangene der Chaarck
Bitte an Sie, Catherine Black. Sie haben das geschafft, was jedem Chaarck verwehrt bleibt, nämlich mit der Genetischen Mutter zu reden. Suchen Sie sie noch einmal auf und überbringen Sie ihr die Beweise, die ich gegen Arachnuck und die Chaa-Chaa-Naguun gesammelt habe. Oder machen Sie es möglich, dass ich vor ihr reden kann.«
Die Leitende Ingenieurin dachte kurz nach. »Das wäre zu überlegen. Sagen Sie, Keschreck, wäre es Ihnen möglich, ein Kommando Soldaten ungesehen zum Versteck der Naguun zu führen?«
»Ja, natürlich. Es gibt viele Wege, die nur ich kenne. Aber kein Soldat wird sich dort hinwagen.«
»Unsere schon«, beschied sie ihm.
Die anwesenden Marines grinsten breit, als sie das hörten.
»Ich denke, dass wir es so machen«, sagte der Lieutenant. »Ich erwirke eine Audienz bei der Genetischen Mutter, um ihr die von Ihnen gesammelten Beweise zu übergeben. Gleichzeitig führen Sie unsere Marines zum Versteck der Naguun, Keschreck. Denn dann ist der Genetische Vater garantiert nicht dort, weil er uns ja zur Genetischen Mutter bringen muss. Und wenn die Naguun führerlos sind, werden sie sicher eine leichte Beute für uns.«
Dieser Plan wurde allgemein für gut befunden.
Danach wollte Catherine Black die Beweise sehen, die Keschreck zu bieten hatte. Sie bekam sie zu hören, weil es sich ausschließlich um altertümlich wirkende Tonbänder handelte, die aber sehr aufschlussreich waren. Keschreck behauptete, dass Arachnucks Stimme ganz unverwechselbar sei, was die Menschen allerdings nicht nachvollziehen konnten. Für ihre Ohren klangen alle Chaarck gleich.
»Nun gut«, sagte Lieutenant Black abschließend, die den Ersten Ingenieur als Geschenk des Himmels betrachtete. Natürlich hätte sie ihm unter normalen Umständen misstraut, aber weil ihm Bruder William vertraute, tat sie es auch. Sie konnte sich an keinen bekannten Fall erinnern, in dem sich ein Christophorer bei der Einschätzung von Fremdvölkern schwer wiegend geirrt hätte. »Dann machen wir es also wie besprochen.« Sie trat vor Keschreck hin. »Ich danke Ihnen, Sir. Aber eine winzig kleine Verständnisfrage hätte ich da schon noch.«
*
»Ich«, begann Michael Tong langsam, »war sechs Jahre alt, also im Jahr 2227, im Februar, um genau zu sein. Ich saß auf meinem Lieblingsberg und beobachte die Raumschiffe, die vom tief unten liegenden Spaceport Shanghai aufstiegen. Ein ständiges Dröhnen lag in der Luft, denn die Raumschiffe starteten im 2-Minuten-Abstand. Sie erhoben sich, beschleunigten und verschwanden mit feurigem Schweif im diesig grauen Himmel. Manche Schiffe hatte ich als Modell. Ich kannte schon damals fast alle Typen, nur wenige hatte ich noch nie gesehen. Damals war ich sehr traurig, weil ich für lange Zeit nicht mehr dorthin kommen konnte. Meine Mutter hatte beschlossen, dass ich mit sechs Jahren alt genug war, um aufs Elite-Internat in Peking zu gehen. Ich wusste nicht einmal, was ein Elite-Internat ist. Ich wusste nur, dass ich Sien Wu, mein Kindermädchen nicht mitnehmen konnte. Und meine Raumschiffsmodelle auch nicht. Die vermisste ich schon in dem Moment. Meine Mutter vermisste ich nicht. Ich habe sie sowieso nur selten zu Gesicht bekommen. Und meinen Vater kannte ich nicht. Meine Mama sagte immer, dass ich so gerne Raumschiffe beobachte und zusammenbaue und einmal Raumfahrer werden will – das hätte ich von meinem Vater geerbt.«
»Hm, dann hatten Sie wohl keine schöne Kindheit, 10«, stellte Dana fest und bedauerte Tong tief in ihrem Herzen.
»Es gibt schlimmere Schicksale als meines, Ma’am«, erwiderte er. »Ich komme aus wohlhabendem Hause und hatte immer alles im Überfluss. Auch eine gute Ausbildung.«
»Und wie war es mit menschlicher Wärme?«, warf David Stein ein. »Ihre Worte hören sich so an, als ob es daran gefehlt hätte.«
»Ganz unrecht haben Sie da nicht, Lieutenant. Meine Mutter ist das, was man eine Karrierefrau nennt. Sie ist eine hochintelligente Spitzen-Diplomatin, ziemlich lebenslustig und total ich-bezogen. Sie wollte nie wirklich Kinder, weil sie nicht mit ihnen umgehen kann. Ich war ein Unfall und weiß bis heute nicht richtig, warum sie mich eigentlich zur Welt brachte. Wahrscheinlich hat es irgendetwas mit meinem Vater zu tun, dessen Namen und Identität sie mir aber bis heute nicht verraten hat.« Er lachte trocken auf. »Wahrscheinlich weiß sie seinen Namen auch gar nicht. Meine Mutter hatte immer viele Männer.«
»Sie haben also nie eine Beziehung zu Ihrer
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