Sternenfaust - 014 - Die Falle der Kridan
Versammelten schweifen zu lassen.
»Es war das Gesicht eines Frischgeschlüpften«, fuhr Mertalku fort und brach erneut ab, so als bereite es ihm unendliche Mühe zu sagen, was er zu sagen hatte.
»Es war das Gesicht«, raffte er sich schließlich auf, »des jungen Raisa!«
Eine Explosion hätte nicht vernichtender sein können, als die fassungslose Stille, die sich nach dieser Enthüllung breit machte. Das, was der Verkünder gerade von sich gegeben hatte, war der Gipfel der Ungeheuerlichkeit. Man mochte über den Obersten Priester schimpfen und den Obersten Befehlshaber der Flotte verfluchen – aber der Raisa war unantastbar!
Er war heilig!
Nach dem fast erstickten Schweigen, das die Versammlung befallen hatte, ertönte ungläubiges Geflüster. Mit einer weit ausholenden Geste brachte Mertalku sie zu Schweigen.
»Oh, ich wollte es selbst nicht glauben«, rief er jetzt mit sengendem Schmerz in der Stimme. »Nein, das konnte nicht die Wahrheit sein. ›Oh, Gott willst Du mich prüfen?‹, schrie ich voller Pein. ›Ja!‹, kam da die Antwort und ich spürte große Erleichterung. ›Ja, ich will dich prüfen‹, sagte Gottes Stimme zu mir. ›Dich und alle deinen Anhänger. Der Oberste Priester hat einen falschen Raisa ausgerufen, einen Raisa, der gar kein Raisa ist. Der Oberste Priester hat ein armes, unschuldiges Frischgeschlüpftes geraubt und missbraucht dieses bedauernswerte Wesen. Aber den neuen Raisa schicke ich euch nicht durch den Obersten Priester, sondern durch dich!‹«
Wieder schwieg der Verkünder, und es schien einen Moment, als habe den Alten die Last seiner Botschaft endgültig aller Kräfte beraubt.
»Wisst ihr, was das bedeutet«, schrie er auf einmal mit sich überschlagender Stimme in die Versammlung. »Das ist wahrhaft die schwierigste und schlimmste Prüfung, die Gott mir auferlegen konnte. Ich jammerte und weinte und bat Gott, mich von dieser Aufgabe zu entbinden. Er würde gewiss einen Würdigeren dafür finden; nicht mich, einen unbedeutenden, ungebildeten Anhänger Satren-Nors. Aber Gott sagte zu mir, dass ich dieser Aufgabe gewachsen sei. ›Wieso?‹, fragte ich ihn voller Verzweiflung. ›Weil Ich dir Kraft geben werde.‹ Er zeigte mir weitere Gesichter. Diesmal nicht aus dunklen Wolken geformte Gesichter, sondern echte, lebendige Gesichter. Gesichter fröhlicher, aufrechter Kridan. Es waren tausende. Was sage ich, es waren Millionen, unzählig viele! Aber ich kannte jedes von ihnen. Es waren eure Gesichter! Gott sagte mir, dass er mir seine Kraft durch euch geben wird …«
Jetzt brandete ein vielstimmiger Jubel empor.
»Mit eurer Kraft werde ich den neuen Raisa finden«, schloss Mertalku, aber dieser letzte Satz ging im fröhlichen Geschrei der Versammlung beinahe unter. Die Wände des Versammlungsraums waren dick genug, um nichts davon nach außen dringen zu lassen.
In der um ein Vielfaches größeren Menge der Gläubigen, die sich oben zusammen gefunden hatte, ahnte niemand, dass ein Stockwerk tiefer gerade damit begonnen wurde, ein neues Kapitel kridanischer Geschichte zu schreiben …
*
Als er die Kampfgeräusche hörte, hielt es Bruder William trotz Dana Frosts ausdrücklichem Befehl nicht mehr in seinem Versteck.
Vorsichtig kletterte er an dem Baum hinunter, um einen besseren Blick auf das Gefecht zu bekommen. Er bemühte sich darum, möglichst lautlos von Ast zu Ast zu steigen. Oberste Priorität hatte – wie Dana Frost ausdrücklich betont hatte –, dass jede direkte Attacke auf eine Kridaneinheit vom Boden aus erfolgen sollte. Es sollte dem Gegner möglichst lange unklar sein, wohin sie sich zurückzogen und wo sie sich versteckten – in der luftige Höhe der Baumwipfel.
Die Truppe bestand aus insgesamt zehn Kridan, von denen zwei mit schweren Kampfanzügen ausgestattet waren. Zusammen mit Ralff Olafsson, der seinerseits eine schwere Kampfausrüstung trug, kämpften Dana Frost, David Stein und Michael Tong. Sie hatten sich in natürlichen Erdlöchern und hinter wuchtigen Urwaldriesen versteckt und wechselten so oft es ging die Position, um den Gegner über ihre eigene Zahl im Unklaren zu lassen.
Bruder William erinnerte sich kurz an die Diskussion zwischen Sergeant Olafsson und dem Captain. Der Marine wollte, dass sich Frost aus den Kampfhandlungen heraushielt. Diese beharrte darauf, dass jeder einzelne Kämpfer helfen würde – und hatte sich natürlich durchgesetzt.
Mit einem entsetzlichen Fauchen zerfetzte ein Gauss-Geschoss einen der
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