Sternenfaust - 017 - Im Labyrinth der Toten Götter
draußen weiterhin wie versteinert die Figurengruppe: neun Menschen in Raumanzügen. Dana hatte den Eindruck, dass sich allmählich grauer, interstellarer Staub auf sie legte, um sie endgültig mit ihrer grotesken Umgebung zu verschmelzen.
Eine Bewegung schräg hinter ihr ließ Frost herumwirbeln. Sie riss sich gerade noch rechtzeitig von dem auch sie lähmenden Anblick los, um das Ergebnis der Veränderung zu bestaunen.
Keine fünf Meter hinter ihr befand sich eine Wand. Eine Wand, die vorher nicht da gewesen war!
Rechts davon befand sich nun die Abzweigung eines Ganges, wo zuvor nur eine glatte Seitenwand gewesen war.
Dana stürzte um die neu entstandene Ecke und sah jetzt die Bewegung mit eigenen Augen.
»Das … das Labyrinth ist … lebendig geworden«, murmelte sie.
Erneut schob sich kaum fünf Meter von ihr entfernt eine Wand vor den weiteren Verlauf des Ganges, den sie – bis die Lücke endgültig geschlossen war – noch deutlich sah.
Auf einmal traf sie ein heftiger Schlag in den Rücken. Von hinten wurde sie langsam aber unnachgiebig durch eine weitere Wand nach vorne geschoben, direkt auf die sich gerade schließende Querwand zu.
Dana spürte wie ihr der Schweiß in die Augen lief. Sie stemmte sich der schiebenden Wand entgegen – sinnlos.
Das Ding will mich zerquetschen! , erkannte sie.
Frost stand jetzt unmittelbar vor der Wand, die gerade eben den Gang vor ihr verschlossen hatte und die glatte Fläche in ihrem Rücken schob sie immer näher. Sie lehnte sich gegen die schiebende Wand und stemmte sich mit den Füßen gegen die andere.
Mühelos schob sich die Wand weiter auf sie zu, beugte langsam aber unerbittlich ihre Beine, presste sie zusammen, zwang sie, sie ganz eng an den Körper zu legen.
Das war es also , dachte Dana und war erstaunt, wie wenig Panik, wie wenig Angst sie im Moment des Sterbens empfand.
Zwischen den beiden Wänden, die sich wie ein gigantischer Schraubstock gegeneinander bewegten, würde sie zermalmt werden, wie ein Bündel Trauben, aus dessen Saft man Wein keltern wollte. Unwillkürlich sah sie auf den Boden, ob sich dort ein Abfluss befand, durch den ihr Blut ablaufen würde. Doch der Boden war glatt und fugenlos. Die Wand quetschte jetzt so stark gegen sie, dass sie den Druck durch den Raumanzug deutlich spürte.
Der Atem ging schwer. Hatte diese riesige Presse bereits die Luftversorgung zerstört? Resigniert warf sie ihren Kopf in den Nacken – und entdeckte den schmalen Spalt, der sich oben in der Decke öffnete.
Mit einem Schrei, in dem sich Verzweiflung und wilde Entschlossenheit mischten, stemmte sich Dana gegen die Millimeter für Millimeter näher rückende Wand und stützte sich so gut es ging ab. Sie schob sich regelrecht nach oben. Ihre Stiefel suchten Halt an den winzigsten Unebenheiten.
Sie streckte den rechten Arm senkrecht über ihren Kopf, bekam eine Kante zu fassen. Sie griff zu und zog sich weiter nach oben. Frost riss auch die linke Hand hoch. Durch die Handschuhe ertastete sie die Öffnung und zerrte ihr ganzes Gewicht weiter empor.
Kopf und Schultern schoben sich über die Kante. Mit einem heiseren Schrei stemmte sich Dana hoch, ließ sich nach vorne fallen und zog die Beine nach, schleuderte sie herum. Unsanft prallte Frost auf den Boden, während sich die Öffnung, in der sie gerade noch gesteckt hatte, lautlos schloss.
Schwer atmend blieb Dana auf dem Rücken liegen. Sie dachte Momente lang an nichts. Sie registrierte, dass die Versorgung mit Luft und die übrigen Funktionen ihres Raumanzugs intakt waren. Die Elektronik meldete keine Beschädigungen.
Ächzend richtete sie sich auf – und blickte direkt in das Gesicht des Mädchens.
»Das …«, stotterte Dana ungläubig, »das … kann nicht sein!«
Es war an der Zeit, endgültig die Fassung zu verlieren. Vor ihr im luftleeren Raum saß ihr unmittelbar gegenüber ein kleines Mädchen auf dem Boden des Gangs und malte mit dem Zeigefinger ein unsichtbares Bild in den kaum wahrnehmbaren Staub. Sie trug ein leichtes, blaues Sommerkleidchen, ihre nackten Füße steckten in Sandalen und die langen dunklen Haare wurden von einer grellbunten Spange zusammengehalten, die Dana irgendwie bekannt vorkam.
Sie hatte es also nicht geschafft, und dies war eine letzte Halluzination vor ihrem Tod, schoss es ihr durch den Kopf.
Merkwürdigerweise fühlte sie sich auf unbestimmte Weise erleichtert.
Das Mädchen trug keinen Raumanzug, ihre sommerliche Kleidung stand in einem scharfen Kontrast zur
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