Sternenfaust - 017 - Im Labyrinth der Toten Götter
Umgebung, die – Dana starrte auf die Anzeige ihres Helms – minus 125 Grad Celsius betrug.
»Hast du dir schon was ausgedacht?«, fragte das Mädchen, während ihr Finger weiter an dem unsichtbaren Bild zeichnete.
Dana zuckte zusammen. Die Stimme des Kindes war deutlich zu hören gewesen.
»Nicht? Das ist aber schade …«, fuhr das Mädchen fort.
»Wie … wie alt bist du?«, fragte Dana mit heiserer Stimme, während gleichzeitig in ihrem Kopf der Gedanke hämmerte, was für eine unsäglich dumme Frage das war.
»Nein, nein!« Das Mädchen lachte auf einmal los. »Gar nicht dumm. Überhaupt nicht …«
»Warum war meine Frage nicht dumm?«, fragte Dana fassungslos.
»Weil …«, begann das Mädchen und stockte. Sie sah Dana direkt in die Augen. »Wie alt bist du?«, stellte sie schließlich die Gegenfrage.
»Ich … ich bin …«, stammelte Dana aufs Höchste verwirrt. »Ich weiß es nicht …«
»Siehst du«, erwiderte das Mädchen und setzte ihre unsichtbare Malerei mit dem Finger fort.
»Aber wer bist du?«, fragte Dana.
»Stell dich nicht so an«, erwiderte das Mädchen und sprang hoch. »Das weißt du doch ganz genau.« Es rannte los, den Gang entlang. »Komm mit!«
Dana rappelte sich auf, lief ihr hinterher und holte sie nach einigen Biegungen ein. Das Mädchen ließ sich lachend einfangen und schmiegte sich an sie.
»Wer bist du?«, wiederholte Dana ihre Frage.
Das Mädchen wand sich aus der Umarmung und verzog das Gesicht.
Himmel, jetzt fängt sie gleich an zu weinen … , befürchtete Frost.
Doch das Kind riss sich lediglich von Dana los und rannte erneut davon. Frost sprintete hinterher.
Das Mädchen verschwand hinter einer der zahllosen Ecken – und als Dana die Biegung erreichte, war der Gang vor ihr leer.
»Hey! Wo bist du?«, rief Frost lauter, als sie beabsichtigt hatte.
Niemand antwortete. Alles war totenstill. Sie hörte nur ihren eigenen, keuchenden Atem.
»Ist dir das lieber?«, fragte jemand hinter ihr.
Dana fuhr herum, die Stimme gehörte nicht dem Mädchen, sondern jemand anderem, älteren. Dort, wo sich eben noch der Gang befunden hatte, durch den sie und das kleine Mädchen gerannt waren, öffnete sich ihrem Blick ein weitläufiger mit altmodischem Mobiliar voll gestellter Raum, der von einer gewaltigen Fensterfront begrenzt wurde. Durch das bis zum Boden reichende Glas sah Dana auf eine atemberaubende Seenlandschaft hinaus, die sich unterhalb einer großzügigen Terrasse hinter dem Fenster erstreckte. In der Ferne waren dichte Wälder zu erkennen, aus denen Nebelschwaden in das Abendrot dampften. Vor der gewaltigen Glasfront stand ein einzelner Sessel mit hoher Rückenlehne. Der Sessel bewegte sich leicht, und Dana musste lächeln. Es war ein altmodischer Schaukelstuhl.
Sie trat vor und blickte auf die weißhaarige Frau hinab, die zufrieden hin und her wippte.
»Jetzt ist es mir klar«, sagte Dana leise.
»Na, da bin ich aber froh«, sagte die Frau, und ihr zerfurchtes Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. »Tu mir bitte einen Gefallen«, fuhr sie nach einer kurzen Pause fort.
»Was immer du willst«, sagte Dana, der in dem Moment, wo sie diesen Satz aussprach, bewusst wurde, dass sie eine derartige Bemerkung schon seit vielen, vielen Jahren nicht mehr geäußert hatte. So etwas sagte man nur, wenn man jemandem blindlings vertraute. Eine leise Traurigkeit erfüllte sie.
»Hol mir aus der Küche ein Glas Wasser«, bat die alte Frau.
»Gerne«, erwiderte Dana und schaute sich suchend um.
»Dort«, sagte die Frau und hob den Arm.
In der gegenüberliegenden Wand des Raumes zeichnete sich zwischen einem wuchtigen, dunklen Schrank und einem großen Spiegel, vor dem eine Anrichte mit Schminkutensilien stand, in der Tapete die Kontur einer Tür ab. Wo hatte sie derartiges schön einmal gesehen?
Dana sah sich selbst im Spiegel, wie sie – bekleidet mit der unförmig wirkenden Montur ihres Raumanzugs – auf die Tür zuschritt. In diesem Augenblick war wirklich alles klar. Der Spiegel schien sie bis in ihr Innerstes zu zeigen. In der durchsichtigen Oberfläche des Helms reflektierten sich die zahllosen, ineinander verschlungenen Windungen ihres Gehirns.
Dana öffnete die Tür – und stand im Freien.
»Hallo«, krächzte sie. »Hört ihr mich?«
Valentina Duchamp, die unmittelbar vor ihr ging, blieb stehen und drehte sich um.
»Klar und deutlich«, ertönte ihre Stimme aus Danas Helmlautsprecher. »Was gibt’s, Captain? Irgendwelche Probleme?«
Auch die
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