Sternenfaust - 039 - Der neue Offizier
sie denselben Ursprung haben. Andere sind einzigartig und ähneln keiner anderen. Gott gibt meiner Meinung nach jedem Wesen die Form zu glauben, die zu ihm passt und die ihm den Kontakt zu Ihm erleichtert.«
Sun-Tarin dachte eine Weile schweigend darüber nach. »Und all diese verschiedenen Glaubensformen existieren friedlich nebeneinander?«, vergewisserte er sich.
»Ja, seit über 150 Jahren schon«, bestätigte Bruder William. »Deshalb sehe ich auch keinen Grund, weshalb unsere beiden Völker sich wegen des Glaubens bekriegen sollten.«
»Das ist einfach zu erklären«, entgegnete Sun-Tarin. »Gott befiehlt uns, den wahren Glauben unter allen Völkern zu verbreiten mit allen Mitteln.«
»Auch mit Krieg«, stellte Bruder William fest. »Geht zu allen Völkern und macht alle zu meinen Jüngern und lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.«
Sun-Tarin starrte den Christophorer verblüfft an. Das stammte eindeutig aus der Heiligen Schrift der Kridan, wenn auch der Wortlaut nicht ganz korrekt war. »Sie kennen unsere Heilige Schrift?«
Bruder William schüttelte den Kopf. »Ich muss gestehen, nein. Das war ein Zitat aus einer unserer heiligen Schriften. Genau dieses Zitat aber wurde früher dahingehend interpretiert, dass dieses ›Lehren aller Völker‹ auch mit Gewalt und Krieg geschehen sollte, wenn die sich nicht freiwillig bekehren lassen wollten. Allerdings steht von Gewaltanwendung nirgends etwas geschrieben. Im Gegenteil lautet eine unsere wichtigsten Vorschriften: Du sollst nicht töten!. Und eine andere heißt: Liebe jedes Wesen so wie dich selbst. Wie kann ich aber den Glauben mit Krieg verbreiten, wenn ich nicht töten darf? Und wie kann ich Wesen bekämpfen, die ich nach Gottes Willen lieben sollte, weil alle Wesen seine Geschöpfe sind?«
Sun-Tarin starrte den Christophorer an. »Ihr Volk ist so blasphemisch, dass es dem direkten Willen Gottes zuwiderhandelt? Vielleicht …«
Der Kridan brach ab. Es war sicherlich der falsche Weg, dem einzigen Menschen, der freiwillig mit ihm sprach, vorzuwerfen, dass sein Volk offensichtlich völlig verderbt war, wenn es tötete, obwohl Gott es ihm verboten hatte. Das war charakterlos, schwach und …
Er löste sich auch von diesem Gedankengang und sagte: »Von diesen Geboten steht in unseren Schriften nichts. Tatsächlich wird davon berichtet, wie die frühen Propheten die Ungläubigen ausmerzten.«
»Doch ihr neues Regierungsoberhaupt, der Prediger, hat die alten Schriften anders ausgelegt. Und im kridanischen Volk gibt es offenbar eine enorme Sehnsucht nach Frieden. Sonst hätte die Bewegung des Friedensbringers Satren-Nor nicht einen derart großen Zulauf erhalten und ihm schließlich zur Macht verholfen.«
Nur weil die Mehrheit einer Meinung ist, ist diese Auffassung noch lange nicht richtig! »Ja, Satren-Nor hat dem kridanischen Reich einen neuen Weg gewiesen«, sagte Sun-Tarin diplomatisch. Ich muss dieses Gespräch beenden, bevor mich dieser junge Ketzer zu weit treibt. »Jetzt müssen Sie mich aber entschuldigen. Meine Mahlzeit ist beendet und die Pflicht ruft.«
»Ich will Sie keinesfalls aufhalten. Wir sehen uns ja noch öfter.«
Sun-Tarin verließ die Messe mit den für Kridan typischen staksigen Schritten, und Bruder William beendete seine Mahlzeit ebenfalls.
»Sagen Sie, Bruder William«, fragte Fähnrich Kumara, einer der übrigen Anwesenden, »müssen Sie jetzt auch noch den Gesellschafter für den Geierkopf spielen?«
»Aber nein«, antwortete der Christophorer. »Allein schon aus dem Grund, weil es hier nirgends einen Geierkopf gibt und auch keinen Klapperstorch , den Sie, Fähnrich Al-Qamar, hier bemerkt haben wollen, sondern nur einen Kridan. Und wenn mich meine bescheidenen ornithologischen Kenntnisse nicht täuschen, so ähnelt der Kopf eines Kridan sehr viel mehr dem eines Habichts statt eines Geiers.«
Sowohl Sandor Kumara wie auch Lin Al-Qamar besaßen genug Anstand zu erröten.
»War doch nicht so gemeint«, versuchte Kumara sich herauszureden.
»Oh doch, das war es sehr wohl«, widersprach Bruder William. »Schließlich werden die Kridan im gesamten Star Corps als Geierköpfe bezeichnet. Allerdings sollten Sie im Interesse des fortschreitenden Friedensprozesses solche Bezeichnungen besser aus Ihrem Wortschatz streichen, meinen Sie nicht auch. Außerdem hat es noch niemandem geschadet, eine fremde Spezies besser kennen zu lernen. Das erweitert den Horizont. Sie dürfen nicht vergessen, dass es sich hier nicht um
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