Sternenfaust - 039 - Der neue Offizier
Natürlich gab es die Möglichkeit, an ein Notterminal zu gelangen und von dort Zugriff auf die Navigationsdaten zu bekommen.
Doch das hatte den Nachteil, dass er dabei nicht unbemerkt bleiben würde. Die ALCATRAZ wurde auf fast jedem Quadratzentimeter von Kameras überwacht. Ausgenommen waren nur die privaten Quartiere der Besatzung. Zwar hatte er durchaus die Möglichkeit, mit ein bisschen technischer Spielerei die Kameras zu stören und es wie einen harmlosen Ausfall aussehen zu lassen.
Unglücklicherweise gab es aber noch den Winston-Feld-Scan, der seine Anwesenheit an dem Terminal schnell enthüllen würde. Und er hatte nicht vor, Rona Hill in die mordlüsternen Hände zu fallen. Borzan war kein Held. Genau genommen war er sogar ein ausgesprochener Feigling. Er ging kein Risiko ein, wenn er sich nicht sicher war, dass die Wahrscheinlichkeit, entdeckt und zur Rechenschaft gezogen zu werden, vertretbar gering war.
Hier war das Risiko verdammt groß. Er hatte einmal gepokert und gewonnen – zu Lasten des unglücklichen Jerris. Jetzt waren Hill und Hauser gewarnt und entsprechend wachsam. Und Borzan musste jetzt genau abwägen, was für ihn schlimmer war: den J’Ebeem in die Hände zu fallen oder von Hill erschossen zu werden.
Doch vielleicht gab es noch eine andere Alternative.
*
Siron Talas las sich zum unzähligsten Mal die Informationen durch, die der Onkel seiner Frau ihm im Auftrag des Triumvirats über seinen neuen Einsatz gegeben hatte. Es stand nicht viel darin, und er kannte den dürftigen Text inzwischen auswendig.
Ein Gefangenentransport der Solaren Welten auf einem Schiff namens ALCATRAZ war offenbar durch Mithilfe einiger Offiziere an Bord von den Gefangenen übernommen worden. Es gab Hinweise darauf – die Menschen hatten nicht spezifiziert welche –, dass sich das Schiff auf das j’ebeem’sche Hoheitsgebiet zubewegte. Der Auftrag lautete: Rendezvous mit dem Suchschiff der Solaren Welten, Begleitung und uneingeschränkte Unterstützung bei der Suche und – wenn möglich – Gefangennahme der Entflohenen.
So weit, so einfach. Siron ging allerdings die geflüsterte Warnung von Lorrin Sakala nicht aus dem Kopf, dass der Temuran seine Finger mit im Spiel hatte. Und das bedeutete nichts Gutes.
Leider gab es noch keine Informationen darüber, um was für Gefangene es sich bei den Entflohenen handelte. Siron konnte sich nicht vorstellen, dass es einfache Verbrecher waren, denn an denen hatte der Geheimdienst mit großer Wahrscheinlichkeit kein Interesse. Es musste sich also um politische oder ähnliche Gefangene handeln. Und er zermarterte sich vergeblich den Kopf, was der Temuran mit ihnen oder von ihnen wollte.
»Was bedrückt dich, Siron?«
Erst als sie ihn ansprach, wurde er sich der Anwesenheit seiner Frau Taila wieder bewusst, die ihn als Schiffsärztin auf allen Einsätzen begleitete.
»Es ist der neue Auftrag«, antwortete er bereitwillig.
Normalerweise besprachen j’ebeem’sche Männer solche Dinge nicht mit ihren Frauen. Doch Siron machte da gern eine Ausnahme, denn er schätze Tailas scharfen Verstand.
»Dein Onkel hat mir die Warnung gegeben, dass der Temuran seine Finger im Spiel hat. Er hatte leider keine Gelegenheit dazu, mir zu sagen in welcher Form. Und ich gebe zu, das macht mir Sorgen.«
»Zu recht«, stimmte Taila zu. »Wenn Lorrin dich derart warnt, tut er das nicht ohne Grund.«
»Welches Interesse könnte der Geheimdienst an ein paar entflohenen menschlichen Gefangenen haben?«, überlegte Siron laut.
»Nun, die Antwort liegt eigentlich auf der Hand. Mindestens einer der Entflohenen muss entweder selbst bedeutend oder im Besitz von für den Temuran entscheidenden Informationen sein. Denn der Geheimdienst hat Wichtigeres zu tun, als sich um entflohene menschliche Gefangene zu kümmern.«
Das leuchtete Siron ein. Und es führte ihn zu einer Schlussfolgerung, die mehr als unangenehm war.
»Wir müssen also davon ausgehen, dass der Temuran«, er zögerte nachdenklich und formulierte es vorsichtig, »ein Interesse daran hat, diese Leute – oder zumindest einen von ihnen – in die Finger zu bekommen.«
Taila machte eine zustimmende Geste. »Ich wüsste keinen anderen Grund, weshalb er diese Leuten sonst überhaupt beachten sollte.«
Siron sah seine Frau ernst an. »Dir ist aber auch klar, was das für uns – für mich – bedeutet.«
»Natürlich. Und mir ist auch klar, was das für den fortschreitenden Friedensprozess zwischen dem Reich von Ebeem
Weitere Kostenlose Bücher