Sternenfaust - 055 - Krieg in der Hohlwelt (1 of 2)
schöpfte man wie eh und je aus einem Brunnen, Strom wurde von einigen Solarmodulen erzeugt, die Valentina eigenhändig auf dem windschiefen Dach des Häuschens angebracht hatte.
Hier in der Wildnis verwandelte sich die Galab-Agentin und derzeitige Sicherheitsbeauftragte von Gregor Rudenkos Wahlkampfteam, die der Welt sonst nur in den edelsten Designerkleidern gegenübertrat, zu einer einfachen, zupackenden, ungeschminkten Frau in Arbeitshosen und Holzfällerhemd. Niemand, der sie so sah – und das waren wenige genug – hätte in ihr die mondäne Person wiedererkannt, die in den edelsten Casinos, teuersten Restaurants und exklusivsten Clubs der Solaren Welten verkehrte. Man sah ihrer weißen Haut und den knallrot gefärbten Haaren, die wegen der Sonne meist nur unter einem breitkrempigen Hut hervorquollen, zwar an, dass sie keine gebürtige Nordafrikanerin war, die einfache Kleidung, die am Abend höchstens einmal von einem regionaltypischen, weit geschnittenen, schlichten weißen Burnus abgelöst wurde, ließ sie jedoch mit der hier ansässigen Bevölkerung verschmelzen. Schon seit mehr als einem Jahrhundert hatten die vielfältigen Migrationsströme die Menschen nicht nur von der Erde fortbewegt, sondern auch auf der Erde selbst gründlich durcheinandergemischt.
Dennoch wirkte die unmittelbare Umgebung in dem Tal, in dem ihre Hütte stand, als wären alle Ereignisse der Menschheitsgeschichte spurlos an dieser Gegend vorbeigezogen und im Nichts verschwunden. Es verwundert deshalb nicht, dass es weder in diesem noch in den benachbarten Tälern so etwas wie eine automatisierte, robotisch gesteuerte Post gab, die sonst überall auf der Welt Standard war. Sofern Valentina überhaupt einmal an diesem Ort ein Paket bekam, so wurde es von einem Postboten hergebracht, dem man ansah, dass nicht nur er, sondern auch schon seine Vorfahren aus dem ehemaligen Königreich und der heutigen Provinz Marokko stammten. Er hatte die Pakete zuvor per Hand sortiert und in die Fächer eines mit einem altmodischen Wasserstoffmotor betriebenen Allradfahrzeugs verstaut, bevor er sich auf den Weg in die entlegenen Höfe, Güter und Hütten machte. Hinzu kam, dass er sich ganz bestimmt nicht an einem Samstag auf den Weg machen würde. Hier hatten die Dinge allesamt noch etwas mehr Zeit.
Post an sich – und damit war keine Nachricht egal ob mündlich oder schriftlich auf dem Multi-Kom gemeint, sondern in ihrer ursprünglichen, materiellen Bedeutung – war in dieser Abgeschiedenheit schon eine Aufsehen erregende Besonderheit. Es gab allerdings noch einen weiteren merkwürdigen Aspekt.
Niemand verschickte mehr Briefe, die auf Papier geschrieben worden waren. Schon seit mindestens hundertfünfzig Jahren nicht mehr. Erst recht nicht in einer schönen, kalligrafisch anmutenden Handschrift auf handgeschöpftem Bütten und mit einem harten roten Zeug verschlossen, in das ein Wappen eingedrückt worden war. Als Valentina den Brief öffnete, zerbrach dieser kunstvolle Verschluss. Mehr aus der Routine eines während langer Jahre anerzogenen Misstrauens heraus, denn auf Grund echter Besorgnis warf sie ein kleines Stück dieses abgebröckelten Materials in den handlichen Pocket-Spektral-Analysator, der ihr nach wenigen Millisekunden auf dem Display mit grüner Schrift verriet, dass es sich um einen Stoff namens Siegellack handelte. Die grüne Farbe auf dem Display signalisierte, dass es sich dabei um eine unbedenkliche Substanz handelte. Die Zusatzinformation, die sie noch abrief, erklärte, dass Siegellack zum Gebrauch über einer Kerze (einer Kerze!) erhitzt werden müsse, um dann in heißer, flüssiger Form auf das zu schließende Schriftstück aufgeträufelt zu werden.
Ob ein Öllämpchen auch funktioniert? , überlegte Valentina.
Das nun zerstörte Wappen wiederholte sich auf dem Büttenpapier und wurde hier durch einen darunter gedruckten Namen ergänzt: Sarah Windsor.
Wir haben uns doch erst vor einer knappen Woche getroffen, was will sie so rasch wieder von mir? , fragte sich Valentina.
Sie sah auf den ersten Blick, dass es sich nicht um Sarah Windsors persönliche Handschrift handelte. Die mächtige Frau hatte das Schreiben zwar selbst unterschrieben, aber Unterschrift und Brieftext wichen im Schreibstil deutlich voneinander ab.
Sie hat also nicht nur einen Schreiber beauftragt, wie weiland ein Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, sondern beschäftigt auch ihre eigenen Boten, die ihre Post zu den Empfängern
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