Sternenfaust - 066 - Auserwählt (2 of 2)
wie es sich für Diener der Götter geziemt. Zumindest nicht so, wie man uns immer gelehrt hat«, sprudelte es aus ihm heraus. »Aber du hast meine Frage nicht beantwortet, Sikona. Wenn du nicht zum Dienst auserwählt wurdest, was machst du dann hier?«
»Ich sehe mich um«, antwortete sie knapp. »Ich wollte die Götter sehen und mit ihnen sprechen – wenn es sie denn tatsächlich gibt. Woran ich angefangen habe zu zweifeln.«
Sie hatte erwartet, dass Takrun ihr ebenso wie Kunosh blasphemisches Denken vorwerfen würde. Doch zu ihrer Überraschung machte er eine zustimmende Geste.
»Daran zweifele ich inzwischen auch«, gab er so leise zu, dass sie ihn kaum verstehen konnte. »Als ich herkam, war ich überzeugt, dass man mich und die anderen zum Dienst zu den Göttern schicken würde. Stattdessen werden die Auserwählten aufgeteilt. Die älteren von uns werden so wie ich einigen Hohen Dienern zugewiesen, und seitdem tun wir nichts anderes, als ihnen zu dienen statt den Göttern. Die jüngeren werden ein paar Großzyklen später von Himmelsschiffen abgeholt, die sie angeblich zu den Göttern bringen. Was ich aber sehr merkwürdig finde, ist die Tatsache, dass die Hohen Diener keine Zeremonien für die Götter abhalten. Jedenfalls keine, an denen wir teilnehmen dürfen. Und sie geben uns auch keinen Tempelraum für unsere Zeremonien. Im Gegenteil, sie verbieten uns die Zeremonien, weil die uns von der Arbeit abhalten.«
Er senkte seine Stimme noch ein Stück mehr, sodass Sikona sich weit zu ihm herüberlehnen musste, um ihn zu verstehen. »Es ist, als ob die Hohen Diener … nun, entweder anderen Göttern dienen oder – überhaupt keinen. Jedenfalls beantworten sie unsere Fragen nach den Göttern nicht oder nur ausweichend. Und wer zu viele Fragen stellt oder zu hartnäckig ist«, seine Haut wurde grau vor Angst, »der verschwindet einfach. Er wird zu irgendeiner Aufgabe für die Hohen Diener gerufen und kehrt nie mehr zurück.« Takrun blickte Sikona eindringlich an. »Ich weiß nicht, auf welchem Weg du hergekommen bist, aber ich rate dir, auf demselben möglichst schnell wieder zurückzugehen, ehe sie deine Anwesenheit entdecken. Ich will nicht, dass du auch – verschwindest.«
Sikona verspürte jetzt ebenfalls einen Anflug von Angst. Trotzdem war sie nicht bereit, einfach aufzugeben. Und wenn sie schon von hier verschwand, dann nicht ohne Takrun.
»Nur wenn du mit mir kommst«, sagte sie aus diesem Gedanken heraus.
Takrun wurde schlagartig grün vor Schreck und hätte fast zum zweiten Mal das Gefäß fallen gelassen. »Unmöglich! Die Tore zum Algorai sind immer verschlossen. Niemand kann hinaus, wenn die Hohen Diener sie nicht öffnen.«
»Und wie viele haben es schon versucht?«, wollte Sikona wissen.
»Niemand«, antwortete Takrun scharf. »Denn jeder, der sich auch nur über die Grenze des Anbaugürtels hinauswagt,« – seine Haut wechselte jetzt wieder zum dunkeln Grau der Angst – »wird weggebracht und kommt nie zurück. Niemand weiß, was mit ihnen geschieht, aber es ist nichts Gutes. Die Hohen Diener sind schnell zornig und werden dann sehr …« Er suchte nach Worten, denn in der Sprache der Rhukapai gab es keine Begriffe für »Gewalt« oder »gewalttätig«, da ihnen diese Regungen vollkommen fremd waren. »… ungerecht und sehr unsanft«, formulierte er schließlich. »Also geh, Sikona, und komm nie wieder her.«
Er nahm ihr den Tragegriff aus der Hand und eilte, so schnell es seine Last erlaubte, davon. Sikona sah ihm nach und fühlte sich jetzt nicht nur noch verwirrter als vorher, sondern verspürte auch eine unspezifische Angst. Sie hatte zwar vermutet, dass die Hohen Diener möglicherweise keine Diener der Götter waren, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie so gefährlich sein konnten, wie Takrun es angedeutet hatte. Seine Schilderung vom seltsamen Verschwinden aller Rhukapai, die sich in den Augen der Hohen Diener unbotmäßig verhielten, ließ nur einen Schluss zu: Sie wurden entweder verbannt oder – Sikona wagte es kaum zu denken – getötet. Und diese Möglichkeit erschreckte sie am meisten.
Das Beste war wohl, wenn sie Takruns Rat folgte und das Algorai schnellstmöglich verließ. Doch falls er mit der verschlossenen Tür recht behielt, war sie vorläufig hier gefangen …
*
Dana Frost betrachtete die Messergebnisse und Aufnahmen des bewohnten Planeten, die von einer j’ebeemischen Sonde übertragen wurden. Die Bilder zeigten einen Planeten, der
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