Sternenfaust - 067 - Zwischen drei Sonnen
als ihn jemals jemand kennengelernt hatte, und dabei keine noch so verborgene Ecke seines Geistes, seines Bewusstseins, seines Wissens und des Unbewussten vergaß.
Was mögen die anderen sehen? , schoss es William durch den Kopf, angesichts der überwältigenden Schönheit, die ihn traf. Anfangs hatte das Gesicht maskenhaft und androgyn auf ihn gewirkt. Nun allerdings sah er, dass es sich um das Antlitz der schönsten Frau handelte, das er jemals erblickt hatte. Die größte Schönheit, die er jemals erblicken durfte.
Die vollen und doch überaus zart geschwungenen Lippen öffneten sich leicht und verzogen sich zu der Andeutung eines Lächelns.
»Das Gleiche wie du«, antwortete sie auf seine zuvor lautlos gestellte Frage.
Irgendwo tief in seinem Inneren spürte Bruder William, dass das eine Lüge sein musste. Aber konnte man diesen strahlenden, blauen Augen böse sein? Musste er nicht diesem überwältigenden Lächeln jede Sünde verzeihen?
»Ja«, sagte er mit heiserer Stimme und fügte nach einer kleinen Pause noch hinzu: »Befiehl!«
Er senkte den Kopf und sah, dass seine Begleiter zur gleichen Zeit ganz ähnlich reagierten. Dabei bemerkten sie zwar, dass der Goldene, der sie empfangen hatte, verschwunden war, aber es kümmerte sie nicht.
*
Wie vereinbart löste sich die STERNENFAUST aus dem Verband der Expeditionsschiffe, um das Drei-Sonnen-System mit hoher Geschwindigkeit mehrmals zu umkreisen und an geeigneten Stellen Beobachtungssonden auszusetzen, die eine lückenlose Überwachung des gesamten Nahraums innerhalb von mehreren Lichtwochen ermöglichen sollten.
Während Titus Wredan auf seinen ersten Einsatz wartete, vertrieb er sich die Zeit mit einem Spielchen in der Offiziersmesse der STERNENFAUST. Als Geschwader-Kommandant war der Lieutenant normalerweise für den ultraschnellen Jäger des Kreuzers zuständig, der in einer besonderen Verankerung an der Außenhülle befestigt war. Derzeit jedoch musste der Jäger dringend überholt werden, da bei seinem letzten Routineeinsatz die Elektronik des Gaussgeschützes unerklärliche Ausfälle gezeigt hatte.
Um der Technik-Crew unter Leitung von LI Jefferson die Arbeit an dem Jäger zu erleichtern, hatte Dana Frost dem Einsatz eines Provisoriums zugestimmt, damit der Jäger nicht in seine Einzelteile zerlegt werden musste, um diese dann im Maschinendeck zu prüfen und gegebenenfalls zu reparieren oder auszutauschen. So umgab jetzt die hintere Hälfte des Jägers eine halb starre Konstruktion, die von innen mit Luft gefüllt worden war und durch eine enge Wartungsschleuse betreten werden konnte. Dadurch war es möglich an dem Jäger selbst zu arbeiten, ohne aufwendig und möglicherweise unnötig Teile des Waffensystems oder der Elektronik ausbauen zu müssen.
Der Jäger war also derzeit nicht verfügbar, und so sollten die Sonden von einem Shuttle aus ins All abgesetzt werden, da sich mit den kleinen, wendigeren Fähren leichter die präzise errechneten Positionen erreichen ließen. Diese Aufgabe hatte Titus Wredan übernommen. Die Wartezeit vor dem ersten Einsatz vertrieb er sich zusammen mit Fähnrich Lin Al-Qamar, der ihm bei den Einsätzen assistieren sollte und Corporal Ragnarök S. Telford, der sich keineswegs zufällig ebenfalls in der Kantine befand. Die drei bildeten, so oft es die Dienstpläne erlaubten, eine fröhliche Pokerrunde, zu der sich nicht selten auch Sergeant Wanda Ndogo, die Versorgungsoffizierin der STERNENFAUST, gesellte, die bedingt durch ihre Aufgaben oft in der Kantine und der Offiziersmesse anzutreffen war.
Im Grunde bestand die den höheren Rängen vorbehaltene Messe nur aus einem Teilbereich der Kantine, der mit einer Schiebetür von dem restlichen Raum abgetrennt werden konnte, was aber so gut wie nie vorkam. Genauso wenig wie man niedrigeren Rängen den Zutritt zu diesem Bereich verweigerte. Dafür war die Kernmannschaft des Kreuzers eine viel zu sehr aufeinander eingeschworene Gemeinschaft. Dennoch wurden die unausgesprochenen Feinheiten dieser informellen Regelung von allen an Bord peinlich genau beachtet. Kam ein einfacher Crewman alleine in die Kantine, so würde er sich niemals unaufgefordert in den Offiziersbereich setzen. Lud ihn irgendeiner der Offiziere dagegen ein, hatte niemand etwas dagegen.
Wanda Ndogo kam mit ihrem unverzichtbaren Arbeitsinstrument, einem altmodisch anmutenden Klemmbrett zum Tisch der Pokerrunde und beobachtete eine Weile das Spiel, das der Corporal offensichtlich zu dominieren
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