Sternenfaust - 082 - Gotteskrieger
presste das Tuch unerbittlich auf ihren Mund und ihre Nase. Verzweifelt versuchte Wanda nicht zu atmen, den beißenden Geruch nicht in die Lungen zu bekommen, und sich zu wehren. Ihre Faust boxte in die Seite des Kridan, doch der rührte sich nicht. Unbeeindruckt hielt er ihren Kopf umklammert.
Panik stieg in Wanda auf. Ihre Füße schlugen wild auf ihr Bett. Die dünne Decke rutschte zu Boden und fiel auf die Fußkrallen des unbewegten Kridan.
Sun! Was ist nur mit dir los? Das kannst du nicht tun!
Das musste ein Irrtum sein, ein Albtraum. Sie war nicht aufgewacht, lag nicht allein in dem Zweibett-Quartier, weil ihre Mitbewohnerin Kendra Scott jetzt Dienst hatte.
Ein Albtraum, das war es. Sie träumte von Sun-Tarin, weil er sich heute Mittag in der Messe so sonderbar verhalten hatte, und seine Klaue aus ihrer Hand gezogen hatte. Nun erlebte sie im Schlaf seinen Verrat, anders konnte es gar nicht sein. Wanda sah noch einmal eindringlich in Sun-Tarins ausdruckslose graue Falkenaugen.
Sie wurden dunkler, wie alles um sie herum. Ihr Widerstand erlahmte.
Sie sank in eine tiefe Bewusstlosigkeit.
*
»Captain Frost sofort auf die Brücke.«
Ihr erster Offizier van Deyk war nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen, und doch hörte Dana Frost die Dringlichkeit aus seiner Stimme und sprang sofort vom Schachcomputer auf. Irgendetwas musste gerade ganz schrecklich aus dem Ruder laufen. Dabei hatten sie eigentlich bis zu dem Treffen mit der SONNENWIND und dem restlichen Flottenverband nicht mit größeren Problemen zu rechnen. Sie waren auf dem Rückweg zur Erde, um eines der brandneuen Von-Schlichten-Aggregate aufzunehmen, das vor Ort eingebaut werden sollte.
Dana eilte auf die Brücke, ohne zu überstürzt zu wirken. Auch in einer Notsituation musste man einen kühlen Kopf bewahren und in einem winzigen Schiff, umgeben von lebensfeindlichem Weltall, konnte es immer wieder zu Notsituationen kommen, auch wenn man sich nicht in einer Schlacht befand.
»Was gibt es, I.O.?«
»Die L-1 hat die STERNENFAUST soeben verlassen.«
Dana sah es auf dem Schirm. Ihre Augen weiteten sich. Die Landefähre entfernte sich offenbar mit höchster Geschwindigkeit. Sie befanden sich mitten im Weltall. Es gab keinen Planeten in unmittelbarer Nähe, auf dem man die Fähre hätte landen können.
»Wer fliegt sie? Lugones oder Bogdanovich?«
»Unser Austauschoffizier! Sun-Tarin. Er hat gemeinsam mit Wanda Ndogo das Schiff verlassen. Ich habe versucht, Kontakt mit ihm aufzunehmen, doch er möchte nur mit Ihnen sprechen.«
Dana war verwirrt. Erst heute Mittag hatte sie mit Sun-Tarin geredet und nie im Leben damit gerechnet, dass der Kridan die Absicht hegte, die STERNENFAUST auf eine derart spektakuläre Weise zu verlassen. Sie unterdrückte die unnötige Frage, ob sie sich verhört habe. Van Deyk machte in einem solchen Fall keine Scherze. Dennoch wirkte er wie immer gelassen, wie der berühmte Fels in der Brandung. Er sparte sich im Moment lediglich seine sonst so gefürchteten ironischen Bemerkungen. Allein das ließ einiges schließen.
Dana half es, dass er äußerlich so ruhig geblieben war. Sie fasste sich wieder.
»Haben Sie Bruder William rufen lassen?«
Als habe er ihre Frage gehört, öffnete sich das Schott und Bruder William trat auf die Brücke.
»Ja«, meinte van Deyk überflüssigerweise. »Aber mit ihm möchte Sun-Tarin ebenfalls nicht reden. Nur mit Ihnen persönlich, Captain.«
»Jamil, stellen Sie eine Verbindung her«, meinte Dana, während van Deyk Bruder William rasch und leise die Lage erklärte.
Susan Jamil gab die Leitung frei. Sofort erschien der falkenartige Kopf von Sun-Tarin auf dem Bildschirm. Er legte den Kopf schief, um Dana direkt ansehen zu können.
»Captain Frost. Es tut mir leid, dass ich Ihnen diese Unannehmlichkeiten machen muss, aber Wanda Ndogo und ich werden das Territorium der Solaren Welten jetzt verlassen.«
Dana musste sich beherrschen, die Ruhe zu bewahren. Sun-Tarin war einer ihrer Leute und er war im Begriff sie und ihre Mannschaft zu verraten! Konnte es wirklich sein, dass er und Wanda Ndogo überlaufen wollten?
»Captain«, meinte van Deyk im Hintergrund. »Soeben ist ein Kriegs-Schiff der Kridan aus dem Bergstromraum getreten. Es nennt sich RAUSCH DES BLUTES.«
»Ganz richtig, Commander.« Sun-Tarins Gesicht war ausdruckslos. »Aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Die Kridan sind nur meinetwegen und wegen Ndogo hier. Sie werden die STERNENFAUST nicht
Weitere Kostenlose Bücher