Sternenfaust - 088 - Ernte unter glühender Sonne
dieses Schiff.
Ein riesiges Metallteil hatte sich in die Hülle der Marina gebohrt. Was es genau war, konnte Jefica nicht sagen, doch es stammte sicher von einem der Algenschiffe. Also ein Unfall – ein Zusammenstoß? Warum hatte man die Menschen unter Deck denn nicht gewarnt? Moll konnte ja nicht ahnen, wie schnell alles gegangen war.
Sie alleine hätte es sicher geschafft, den Weg nach oben zu bewerkstelligen. Doch sie konnte Senok doch nicht hier unten sterben lassen! Das Metallteil, dass wie ein Geschoss in der Marina steckte, versperrte den direkten Weg zum Oberdeck, aber Jefica hatte es sich vor vielen Jahren zum Prinzip gemacht, sich an fremden Orten immer nach einer Fluchtalternative umzusehen – und zwar frühzeitig.
Das kleine Schott am Ende des breiten Korridors verbarg so eine Art Notleiter, doch Moll befürchtete, ihre geschätzten 150 und mehr Kilo dort nicht hinauf wuchten zu können. Ihre Bewegungsfreiheit war doch weitaus mehr beeinträchtigt, als sie das je offen zugegeben hätte.
Wanda und Valentina würden wie die Affen nach oben klettern … und ich? Manchmal verfluche ich jedes unnötige Pfund an mir … und auch den Grund dafür.
Doch Jammern half jetzt nicht. Solange das Wasser nicht einbrach, war ja noch nichts verloren, machte sie sich selbst Mut. Wenn das jedoch geschah, dann war dies unter Umständen das rasche Ende des Corps Diplomatique, noch bevor es seine Arbeit überhaupt hatte aufnehmen können.
Moll lief zurück in den Raum, der jetzt aussah wie ein durcheinander gewürfeltes Schrottlager und dessen Innenarchitekt bei diesem Anblick wohl einen Schreikrampf bekommen hätte. Ein leises Stöhnen zeigte ihr, dass Baal Senok langsam wieder zu Bewusstsein kam. Seine Kopfwunde allerdings machte einen üblen Eindruck. Jefica Moll schob vorsichtig ein flaches Kissen unter Senoks Nacken.
»Bleiben Sie ganz ruhig liegen, Mister Senok. Hilfe ist schon unterwegs.« Als Botschafter musste man glaubhaft lügen können. Hilfe wäre wirklich schön – aber von wem? Sie nahm sich zusammen und durchsuchte den Raum nach irgendwelchen Notfallpacks. Medikamente, Verbandszeug – irgendetwas musste es hier unten doch geben.
Nichts davon war vorhanden. Auch in den Nebenkabinen nicht, die sie in aller Eile inspizierte. Als sie zurückkehrte, war Senok wieder bewusstlos. Moll befürchtete, dass der Mann die kommende Stunde kaum überleben würde, wenn nicht sofort Hilfe kam.
Ein Ton, wie übereinander reibendes Metall, baute sich plötzlich auf, wurde lauter und lauter, bis er Jeficas Kopf komplett ausfüllte. Das Schiff kämpfte seinen Todeskampf. Moll lachte hysterisch auf, denn wenn die Marina sank, wäre sie die erste an Bord, die ihr Leben verlieren musste. Denn Jefica Moll konnte nicht schwimmen!
Und dann – wie um ihre Angst auf den Höhepunkt zu jagen – kam das Wasser.
*
Byron Hensley hatte den Versuch gestartet, ein wenig zu schlafen.
Sinnlos. Die vergangenen Stunden hatten ihn zu sehr aufgewühlt. Das unerwartete Ernteglück, dann das böse Erwachen, als der Longarm das Schiff attackiert hatte, schließlich der entscheidende Kampf.
Die Tyche hatte keine sonderlich schweren Schäden abbekommen, doch der Saugrüssel ließ sich nicht mehr völlig einfahren, hing nun gute 15 Meter unter dem Rumpf und bremste die Fahrt natürlich erheblich. Dreimal hatte er sich bereits in hohen Nestern verfangen, was die Besatzung des Schiffes gezwungen hatte, ihn auf Tauchgängen loszuschneiden.
Zu gerne hätte Byron das Teil gekappt, doch das ging so nicht, weil es im Bauplan der Ernteschiffe nicht vorgesehen war. Man hätte den Rüssel mit Gewalt entfernen müssen – mit Brennern oder Lasern. Beides hatte die Tyche nicht an Bord; außerdem hatte Byron nicht das nötige Kleingeld, die Reparatur zu bezahlen und noch einen neuen Ernteschlauch dazu.
Und so tuckerte die Tyche jetzt in Richtung Trockendock B, während unterhalb der Wasserlinie der Rüssel wie ein schlaffer Wurm mitgezogen wurde. Kein erhabenes Bild, das sie bei der Ankunft im Trockendock abliefern würden, wahrhaftig nicht …
Viel Raum nahmen diese Gedanken in Byrons Kopf jedoch nicht ein, denn er hatte genug damit zu tun, sich eine Strategie auszudenken – im Trockendock B würde es einen regelrechten Aufstand geben, wenn man dort die Überreste des Longarm zu sehen bekam. Byron hatte sich schon eine halbwegs glaubhafte Ausrede ausgedacht, die zur Erklärung dienen sollte, warum das Tier die Tyche angegriffen hatte. Das
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