Sternenfaust - 088 - Ernte unter glühender Sonne
dann wäre da vielleicht noch ein Weg über den Korridor möglich gewesen, doch so … Außerdem verhinderte das Zusatzgewicht von Baal Senok jeden Versuch in dieser Richtung.
Mit der größten Anstrengung hatte die Botschafterin es geschafft, das Sideboard zu erklimmen, das sich die gesamte Wand lang erstreckte. Irgendwie gelang es ihr sogar, Senok zu sich nach oben zu ziehen. Das ganze hatte ihre Kraftreserven nahezu komplett erschöpft. Doch das Wasser stieg bedrohlich schnell zu ihr hoch.
Moll fühlte die Panik in sich hochsteigen. Am liebsten hätte sie laut um Hilfe gerufen, doch diese Peinlichkeit ersparte sie sich selbst. Hören würde sie ja eh niemand. Valentina und Wanda! Wenn die beiden jungen Frauen noch lebten, dann setzte Jefica all ihre Hoffnung auf sie.
Aber sie sollten sich besser beeilen …
Senok kam zu sich. Er stöhnte erbärmlich laut und schien plötzlich hellwach zu sein, als er sah, was um ihn herum geschah. »Aber das gibt es doch nicht! Das geht nicht! Wir können nicht sinken!«
Moll platzte der Kragen. »Alles sinkt, wenn man ihm ein ordentliches Loch in die Flanke schlägt, Sie Trottel! Also reden Sie keinen Unfug, Senok. Hier gibt es ja nicht einmal Rettungswesten – das Fehlen der Beiboote habe ich schon bemerkt, als ich an Bord gekommen bin. Was ist das, Senok? Dummheit oder unerträglicher Geiz?«
Es kam keine Antwort, denn Senok war wieder bewusstlos. Die Wunde an seinem Kopf blutete heftig. Das sah alles andere als gut für ihn aus … für ihn und Jefica Moll, denn das Wasser kam nun immer schneller. Dumpfe Schläge ließen die Botschafterin zusammenzucken. Das kam von oben. Irgendwer schien sich an den Versorgungsschächten zu schaffen zu machen, die zwischen dem oberen und dem Unterdeck lagen. Etwas krachte – jemand fluchte heftig, dann sauste ein etwa zwei mal zwei Meter messendes Teil der Deckentäfelung nach unten, klatschte auf das steigende Wasser.
Oben wurde ein Kopf sichtbar. Moll hätte vor Freude schreien können – es war der Rotschopf von Valentina Duchamp! »Botschafterin. Alles okay?« Eine reichlich überflüssige Frage, fand Jefica, doch sie nickte nur erschöpft und erleichtert. Letzteres änderte sich jedoch rasch, denn Valentina kam direkt zur Sache.
»Ich lasse ein Seil nach unten … dann schwimmen Sie zur Mitte des Raumes, damit wir Sie nach oben holen können … irgendwie …« Damit spielte Valentina auf Molls Gewicht an. Die schüttelte den Kopf.
»Vergessen Sie es, Kindchen, ich kann nicht schwimmen. Zudem versuche ich hier verzweifelt, das Leben des alten Senok zu retten. Alle anderen hier unten sind tot. Also – Plan B, Valentina, aber möglichst rasch.«
Die ehemalige Agentin fluchte lautlos vor sich hin. Für Sekunden verschwand ihr Kopf, dann war sie wieder zu sehen. »Bei uns sieht es auch nicht viel besser aus. Wanda geht es gut, doch von der Mannschaft sind nur noch wenige am Leben. Für Sie sehe ich nur eine Möglichkeit – Sie lassen sich vom Wasser zu uns nach oben heben. Keine Sorge, Wanda und ich kommen zu Ihnen. Wir werden Hilfestellung leisten. Sie müssen allerdings nach oben, denn nur von hier aus können wir die Marina verlassen.«
»Sind schon Rettungsschiffe da?« Moll versuchte sich Mut zu machen.
»Das … das kann man so eigentlich nicht sagen.« Valentina suchte nach den richtigen Worten, ließ es dann aber. »Das werden Sie dann schon sehen«, winkte sie ab. »Keine Angst, zusammen schaffen wir das schon.« Mit einem eleganten Sprung tauchte Valentina Duchamp in die kalte Flut, die nun schon mehr als halbe Raumhöhe erreicht hatte. Nur eine Sekunde nach ihr folgte Wanda Ndogo. In Molls Augen bewegten die beiden jungen Frauen sich, als wären sie Wassergeborene. Doch das tat für sie jeder, der sich schwimmend über Wasser halten konnte.
Was in den kommenden Minuten geschah, ging über das hinaus, was sie an Angst zu ertragen bereit war. Hilflos – nur gestützt von Valentinas kräftigen Armen – ergab die Botschafterin sich dem Wasser, das ihren massigen Körper in die Höhe trug. Wanda kümmerte sich derweil um den noch immer bewusstlosen Senok.
Als sie das obere Deck mit Ach und Krach erreicht hatten, wurde Moll erst bewusst, dass auch hier das typische Geräusch von Pumpen fehlte, die man in der Regel zur Bekämpfung von einbrechenden Wassermassen benutzte. Gab es die an Bord vielleicht auch nicht? Offenbar hatte die Konzernleitung niemals damit gerechnet, dass die Marina einmal in Seenot geraten
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