Sternenfaust - 089 - Sirius III
Regungslos lag Daniel auf dem Boden. Immerhin hatte er die Atemmaske angelegt.
»Scheint, als würden wir in letzter Minute kommen«, sagte Thaddaeus.
Er gab eine kurze Funkmeldung zur Ordenszentrale im Kloster durch, dass man den Gesuchten gefunden hatte.
»Ich hoffe nur, dass er schnell genug wieder auf dem Damm ist, um uns in dieser verzwickten Lage zu helfen«, murmelte er dann an Bruder Yohannes gerichtet. Niemand hatte unter den Mönchen von Saint Garran einen so starken Empathie-Quotienten wie Meister Daniel. Selbst Abt Mboto Marewo oder gar der berühmte Meister Darenius nicht, dessen im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts durchgeführte Expedition nach Ebeem zu den Meilensteinen menschlicher Raumfahrtgeschichte gehörte.
Schon als man auf den jungen Dan Leslie aufmerksam geworden war, hatte es Anzeichen für eine außergewöhnliche Begabung gegeben – und schon ein zu damaliger Zeit mit einem einfachen medizinischen Diagnosegerät durchgeführter Scan zeigte den ungewöhnlich großen Hirnbereich, der bei ihm aus Spiegelneuronen bestand. Das zeigte sich natürlich besonders, wenn eine entsprechende äußere Stimulierung vorlag. Doch diesmal ging es mit den Hestan um einen Gegner, der nicht die Absicht hatte, zu verhandeln.
Aber genau das war eine angemessene Aufgabe für einen geborenen Meisterdiplomaten wie Daniel. Auch wenn der sich selbst lange Zeit nie in dieser Rolle gesehen hatte.
Bis zu dem Tag, an dem er Mitglied des Meisterkollegiums geworden war und man ihn in die Vorletzten Geheimnisse eingeweiht hatte …
*
Meister Daniel erwachte.
Abt Barentius war bei ihm im Raum – und neben ihm stand Meister Leon, dessen Arme vor der Brust verschränkt waren.
»Man hat dich gefunden …«, begann Barentius.
»Ich weiß«, sagte Bruder Daniel und unterbrach damit den Abt. »Richte Bruder Yohannes und Bruder Thaddaeus meinen Dank aus.«
Woher weiß er das? »Du warst ohne Bewusstsein!«, entfuhr es Abt Barentius. Sämtliche Daten des Medoscanners hatten das bestätigt. Die Lebensfunktionen von Meister Daniel waren auf ein Minimum reduziert gewesen, als Bruder Thaddaeus und Bruder Yohannes ihn aufgefunden hatten. Dass er bewusst etwas von seiner Rettung mitbekommen hatte, war eigentlich unmöglich.
Hat er es vielleicht mit Hilfe seiner Spiegelneuronen durch meine Reaktionen wahrgenommen? , fragte sich Barentius erstaunt. Natürlich wäre auf diese Weise nicht möglich gewesen, die Namen seiner beiden Retter zu erraten. Andererseits lag deren Teilnahme an der Rettungsaktion auf Grund ihrer besonderen Qualifikationen durchaus nahe. Aber weshalb sollte es in dieser Situation das Ziel von Meister Daniel sein, mich durch ein paar Tricks aus dem klassischen Empathie-Programm der Christophorer zu verblüffen? , fragte sich der Abt. Zugegeben – eine reife Leistung, sich dafür gerade den Abt des Christophorer-Klosters zum Zielobjekt zu nehmen …
»Ihr habt meinen Weg unterbrochen«, stellte Meister Daniel fest.
»Du warst dem Tode nahe.«
»Der Tod ist eine Frage der Definition. Information ist unsterblich. Hier stimmen Theologie und theoretische Physik vollkommen überein.« Ein mattes Lächeln erschien auf dem Gesicht von Meister Daniel.
Währenddessen blickte Meister Leon etwas besorgt auf die Anzeigen der medizinischen Daten, die auf einem Display angezeigt wurden. Im Drittstudium hatte Meister Leon es zum Professor für Medizin mit dem Spezialgebiet Neurologie und Hirnchirurgie gebracht. Er verstand also genug davon, um zu erkennen, dass sich der Zustand des Patienten in den letzten Minuten auf wundersame und kaum nachvollziehbare Weise verbessert hatte. Offenbar verfügte Meister Daniel über Kontrollfähigkeiten der eigenen Körperfunktionen, die selbst das Vermögen eines normalen Christophorers bei Weitem überstiegen.
»Was ist dir da oben am Kraterhang zugestoßen?«, wollte Abt Barentius wissen, der mit Meister Leon einen kurzen Blick gewechselt hatte. Ein Augenblick stummer, aber sehr effektiver Verständigung zwischen den beiden Männern, die sich beide wohl dieselben Fragen stellten.
»Ich hatte eine Begegnung mit meinem Spiegelbild«, murmelte Meister Daniel. »Ich weiß nicht, was Saint Garran auf seiner Überquerung der Kraterwand erlebte, aber …« Sein Blick wirkte nach innen gekehrt. So als würde er noch einmal durchleben, was in der Höhe geschah. »Habt ihr gewusst, dass Gesteinsbeißer bis in Höhen von über zwanzigtausend Metern über Normal null vorzudringen
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