Sternenfaust - 096 - Das Triumvirat
verstand ihr Handwerk ausgezeichnet. Schließlich war sie eine der letzten Gintarib , jener uralten Sekte, die schon seit Jahrtausenden die Geheimnisse der Drogen und Gifte nicht nur kannte, sondern sie auch immer weiter entwickelt hatte. Ursprünglich waren die Gintarib Heiler und Priester gewesen, doch seit Beginn der »zivilisierten« Zeiten hatte man sich ihrer Dienste immer häufiger ausschließlich für Auftragsmorde bedient, bis das zu ihrem einzigen Daseinszweck wurde. Doch noch heute war jeder Gintarib dazu verpflichtet, die uralten Kenntnisse weiterzuentwickeln.
Tamfura Hattis hatte sich dem mit einer wahren Leidenschaft verschrieben, die in erster Linie dem Drang nach Wissen entsprang und dem Bedürfnis, mit den Möglichkeiten der einzelnen Komponenten ihrer Mixturen zu experimentieren, Neues zu erfinden und Grenzen auszutesten. Sie hatte es wie bei allem, das sie tat, darin zu einer wahren Meisterschaft gebracht und in ihrem geheimen Labor Dinge entwickelt, für die nicht nur der Temuran ein Vermögen gezahlt hätte. Viele – um nicht zu sagen die meisten – ihrer Drogen waren nicht nachweisbar, und andere verursachten Symptome von scheinbar harmlosen Krankheiten, die unerwartet tödlich verliefen.
Das Gift, das sie Sablon Gendos verabreicht hatte, würde ihm in achtzehn Stunden eine angenehme Müdigkeit bescheren – genau zu dem Zeitpunkt, an dem er, wie Hattis wusste, sich morgen Abend ohnehin zur Ruhe begab; so jedenfalls hatte sie die Dosis berechnet. Er würde sich schlafen legen und im Schlaf sterben, ohne es zu bemerken. Und bis man ihn am Morgen fand, würde sich das Gift bereits vollständig abgebaut haben, sodass man nichts anderes mehr feststellen konnte, als dass Sablon Gendos an einem unerklärlichen Stillstand beider Herzen gestorben war, den man in Ermangelung irgendeines anderen Beweises als natürlich einstufen würde.
Hattis lächelte zufrieden. Mit Gendos’ Tod konnte der nächste Schritt des Großen Plans in Angriff genommen werden …
*
»Was beschäftigt Sie, Meister Jaro?«, fragte Siron Talas, nachdem die letzte Besprechung mit Megon Barus beendet war, an der nicht einmal die Protokollführer hatten teilnehmen dürfen, und der Triumvir das Arbeitszimmer verlassen hatte. Ihm war aufgefallen, dass der Christophorer, dessen Anwesenheit bei solchen Besprechungen in den letzten Tagen zur Gewohnheit geworden war, Barus mit einer beinahe angespannten Aufmerksamkeit betrachtet hatte. Jetzt blickte ihn der Mönch vorwurfsvoll an, wenn Siron dessen Mimik richtig interpretierte. Trotz seiner Erfahrung mit Menschen war er immer noch nicht in der Lage, alle ihre Regungen richtig zu deuten.
»Ich gebe zu, dass ich etwas«, Meister Jaro zögerte und wählte seine Worte sorgfältig, ehe er weitersprach, »verwirrt bin. Ich dachte, dass Sie mir vertrauen.«
»Das tue ich«, versicherte Siron. »Was bringt Sie zu dem Schluss, dass ich das nicht mehr täte?«
»Nun, wahrscheinlich stoße ich hier auf eine j’ebeemische Eigenheit, mit der ich noch nicht vertraut bin und Sie haben gute Gründe für Ihr Verhalten, aber ich hätte es begrüßt, von Ihnen vorher darüber informiert zu werden, dass Sie Megon Barus ebenfalls bereits ausgetauscht haben.«
Siron starrte ihn verblüfft an und glaubte, sich verhört zu haben. »Megon Barus ausgetauscht?«, wiederholte er. »Davon ist mir nichts bekannt.« Doch wenn der Mönch das vermutete, musste es wohl stimmen. »Und Sie sind sich da sicher?«, vergewisserte er sich.
Meister Jaro zuckte mit den Schultern. »Ich kann nur sagen, dass sich seine metaphysische Ausstrahlung – sein sha’ashish , wie Botschafter Keshash sagen würde – seit gestern auf dieselbe wundersame Weise radikal verändert hat wie Ihre vor einiger Zeit. Daraus schließe ich, dass der heutige Megon Barus nicht mehr der Megon Barus ist, mit dem wir es gestern noch zu tun hatten.«
Bevor Siron diese Information verdaut hatte oder entscheiden konnte, wie er darauf reagieren sollte, betrat Felar Manduur den Raum.
»Mein Triumvir«, sagte er nach einer Ehrenbezeugung, »Botschafter Keshash ist hier und besteht darauf, Sie unbedingt persönlich zu sehen.«
»Schicken Sie ihn herein«, stimmte Siron zu, und der Shisheni drängte sich an Manduur vorbei in den Raum. Siron winkte den Diener hinaus.
Keshash hielt sich wie immer nicht lange mit unnötigen Floskeln auf. Er überreichte Siron einen Handspeicher. »Eigentlich bin ich nur gekommen, um Ihnen unsere neuesten
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