Sternenfaust - 101 - Der Weltraumfriedhof (2 of 2)
und Gentlemen«, hörte Joelle den ersten Offizier Shamar al Khaled rufen. »Wir sind wieder im Spiel. Sämtliche Stationen bereit machen für Sprung in den HD-Raum!«
»Ortung bereit«, meldete Jake Austen von seiner Position im hinteren Aufbau der Brücke.
»Navigation bereit«, ergänzte Joelle mit trockenem Mund. Hatte ihre Stimme gerade zittrig geklungen? Bestimmt hatte al Khaled ihre Nervosität bemerkt und würde jetzt …
»Kommunikation bereit«, rief Max Brooks und unterbrach ihre Gedanken.
»Waffenleitstand ebenfalls bereit«, sagte al Khaled. Er klang zufrieden. Joelle atmete tief durch und widmete sich ihren Konsolen.
Ihre Angst verflog mit einem Mal. Sie war eine erfahrene HD-Navigatorin, und vor allem: Sie liebte ihren Job. Ein Raumschiff wie die STERNENFAUST III durch diesen nahezu irreal anmutenden Raum zu navigieren, war eine Ehre, ein Vergnügen und immer wieder eine neue berufliche Herausforderung für sie.
Dennoch – nach allem, was auf ihrem kurzen bisherigen Weg schon vorgefallen war, hatte sie gewisse, nun ja, Vorbehalte. Eine gewisse Besorgnis, die sie dem Antrieb entgegenbrachte, ganz plötzlich. Würde es diesmal funktionieren? Endlich dauerhaft? Oder stand die nächste Katastrophe schon aus? Eine Wiederholung einer Horrorfahrt wie vor drei Tagen wollte Joelle auf keinen Fall erleben – es hatte Stunden gedauert, bis sie sich wieder so weit beruhigt hatte, dass sie unter Leute gehen konnte. Stunden, die die eher verschlossene Joelle allein in ihrem Quartier verbracht und mit sich selbst ausgemacht hatte. Gleichermaßen voller Erschöpfung und Adrenalin, halb stolz und noch halb panisch. Es hatte Nachteile, niemanden zum Reden an seiner Seite zu wissen.
Joelle griff nach oben und zog das Steuer, das sie für den Flug durch den HD-Raum mit Vorliebe benutzte, zu sich hinunter. Sie musste sich auf ihre Arbeit konzentrieren! Jetzt war nicht die Zeit, um über ihr mangelndes Privatleben nachzudenken.
»Eintritt in den HD-Raum in T minus fünf«, sagte Commander al Khaled hinter ihr, und sofort richtete Joelle ihre gesamte Aufmerksamkeit auf ihre Station. Nicht nervös werden, ma chère , dachte die junge Französin. Ist alles schon mal da gewesen. Hast du alles schon gemacht, mehrfach. Nur ein Start mehr, weiter nichts.
»T minus vier. T minus drei.« Sekunden verstrichen wie Ewigkeiten, Stille herrschte auf der Brücke der STERNENFAUST.
»T minus zwei.«
Sollte es diesmal gut gehen? Joelle strich sich nervös einige kastanienbraune Haarsträhnen aus den Augen. War der Antrieb jetzt endlich da, wo er sein sollte?
»T minus eins.«
Und irrte sie sich, oder klang selbst der sachliche al Khaled plötzlich nervös?
*
»Eintritt!«
Für einen Moment, der sich wie eine Ewigkeit anfühlte, geschah gar nichts. Dann explodierte der Frontbildschirm der Zentrale in einem wirren Gleißen aus weißroten Funken, Lichtstrahlen und Blitzen – die übliche Darstellung bei einem Übergang in den HD-Raum. Das Schauspiel erinnerte an die Großaufnahme eines explodierenden Feuerwerkskörpers und dauerte nur Sekundenbruchteile, dann wurde auf dem Hauptschirm die normale Sicht wieder hergestellt.
Das geschah automatisch, denn der HD-Raum war visuell gesehen nicht jedermanns Sache. Die verschobenen und zum Teil ins Absurde verdreht scheinenden Dimensionen, die sich dem menschlichen Auge in dieser Sphäre boten, sorgten bei vielen Raumfahrern für körperliche Beschwerden. Kopfschmerzen, Übelkeit, Schlaflosigkeit, Ohnmacht – die Liste der Symptome, die auf einen längeren Aufenthalt im HD-Raum zurückgeführt wurden, war lang. Und Männer, so hatte die Statistik bewiesen, erlitten sie weitaus häufiger als die dafür scheinbar besser talentierteren Frauen. Das Universum war nicht fair, und Gleichberechtigung schien ihm fremd zu sein.
Um diese Wirkung zu kompensieren, war der Bordrechner der STERNENFAUST III so programmiert, dass er bei einem HD-Flug nur eine entsprechend modifizierte Bildschirmdarstellung anbot. Selbstständig und ohne spürbare Zeitverzögerung rechnete er die eingehenden visuellen Daten so um, dass sie auf dem Monitor der Zentrale »normal« aussahen, also der Darstellung eines Flugs durch den Einsteinraum ähnelten.
Einzig Joelle Sobritzky hatte über die Konsolen und Monitore ihres Navigationspostens direkten und ungefilterten Zugang auf die realen Bilder, die der Bordrechner außerhalb des Schiffes schoss.
Und sie hatte sich eines ihrer zahlreichen Bildschirmfenster
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