Sternenfaust - 101 - Der Weltraumfriedhof (2 of 2)
wollte. Es bewies unumgänglich, dass irgendwo irgendwas ganz böse schiefgelaufen war. Der Pilot vermutete, dass sein Shuttle falsch aufgesetzt und sich vielleicht verkeilt, vielleicht sogar ein Loch in die Außenhülle gerissen hatte – auf derart felsigen Untergründen war vieles denkbar. Aber warum atmete er dann noch? Es war unerklärlich.
Und vielleicht auch bald unwichtig – zumindest für ihn. Ohne Konsolen, ohne Informationen über den Zustand des Raumers konnte er nicht feststellen, wie groß und vor allem wie ernst der Schaden, von dessen Vorhandensein er überzeugt war, überhaupt war. Handelte es sich »nur« um ein paar Kratzer, die behebbar waren und nicht weiter von Belang, oder war es mehr, war es größer, war dies vielleicht sogar das Ende?
Augenblicklich musste Suk lachen. Das Ende, hier? Auf diese Weise? Das klang so albern. Wie konnte ein Mensch mit seiner Ausbildung und seinem Potenzial bei etwas so Alltäglichem und Banalen wie einem simplen Landemanöver ums Leben kommen? Lachhaft.
Und doch wusste er von Fällen, in denen genau dies geschehen war. Damals, während der Ausbildung auf Juno und Ganymed, hatten solche Stories die Runde gemacht wie Gruselgeschichten, die man sich im Ferienlager nachts am Feuer erzählte, um die Kleinen zu erschrecken, die sich insgeheim nach Hause wünschten, sobald es dunkel wurde. Geschichten von Piloten, deren Schiff sich so unglücklich in einer Felsschlucht verkeilt hatte, dass sie weder aussteigen noch herausgezogen werden konnten. Und die ohne Energie, ohne die Möglichkeit eines Funkkontakts nach Außen darauf warten mussten, dass Hilfe kam. Als man sie schließlich fand, waren sie bereits tot.
Suk und seine Kommilitonen hatten damals gelacht und diese Geschichten als das genossen, was sie auch sein sollten: atmosphärische Schreckgespenster, Abendunterhaltung. Als eine Art von Fiktion, die zwar realen Ursprungs sein mochte, und die sie selbst doch nie betraf, nie betreffen würde. Immerhin waren sie besser als jene bedauernswerten Piloten vergangener Tage, oder etwa nicht? Sie würden doch die kommenden Könige des Universums sein, wenn sie ihre Ausbildung erst einmal beendet hatten und in den realen Einsatz gelassen wurden. Schnell, präzise und unfehlbar.
Suk schüttelte den Kopf und verscheuchte den Gedanken. Er half ihm jetzt nicht weiter! Was er stattdessen brauchte, waren Informationen. Konnte er die Energie wieder aktivieren?
Er wusste nicht, ob das Shuttle auf festem Boden stand oder nicht, daher beugte er sich betont langsam vor – um keine Gleichgewichtsprobleme zu verursachen. Dann streckte er den Arm aus und betätigte die Armaturen.
Vergeblich.
Die Antriebskonsole, der Funk, selbst der ins Shuttle integrierte Thermostrahler, mit dem er sich im Zweifelsfall immer noch hätte freischießen können – sie alle reagierten nicht auf seine Eingaben. Das Schiff war wie tot, und Kim Suk konnte nichts tun, um dagegen vorzugehen. Ohne Energiesignatur war er auch für den Radar der anderen so gut wie unsichtbar.
Ruhig betrachtete er seine Optionen. Er konnte hier warten, bis die Marines, die er hier hatte abholen sollen, ihn seinerseits aufgabelten (und da lief er Gefahr zu warten, bis er verhungert war, wie die Piloten aus den Geschichten von früher). Aber immerhin wussten sie ungefähr, wo er war. Oder er konnte versuchen, die Einstiegsluke des Shuttles zu öffnen und auszusteigen. Sein Kampfanzug war raumtauglich, ein Weltraumspaziergang also durchaus durchführbar – und dann hätte er darauf hoffen müssen, dass ihn die Kollegen fanden, wie er einsam und hilflos zwischen den Gesteinsbrocken durch die Schwerelosigkeit trieb.
Wie Hollis , dachte er kurzzeitig amüsiert und erinnerte sich an die Hauptfigur einer Kurzgeschichte, die er als Kind geliebt hatte. In ihr war ein Raumschiff von Meteoriten getroffen und aufgerissen worden, und die Astronauten trieben nun einzeln und schwerelos durchs All, nur noch durch die Funkgeräte in ihren Raumanzügen miteinander verbunden und dem sicheren Tod entgegen. »Kaleidoskop« hatte sie geheißen, von Ray Bradbury, einem Autor des 20. Jahrhunderts. Erst vor ein paar Tagen hatte Kim sich mit seinem Pilotenkollegen Johnny Bayonne darüber unterhalten, der sich ebenfalls als Fan des amerikanischen SF-Romantikers geoutet hatte. Erstaunlich, wie passend die Geschichte in seiner aktuellen Lage war.
Denn der Funkkontakt war sein größtes Problem. Ohne die Energie des Shuttles konnte er das Funkgerät
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