Sternenfaust - 101 - Der Weltraumfriedhof (2 of 2)
Jahren kein lebendes Wesen mehr betreten hatte. Allein, nur begleitet vom leisen Atmen ihrer Teamkollegen, das in den Lautsprechern ihrer Raumanzugshelme gespenstisch widerhallte. Seit über einer halben Stunde hatte niemand von ihnen mehr ein Wort gesprochen. Als hätten sie Angst davor. Als befürchteten sie, die Nacht im Inneren des Wracks würde auch Laute verschlucken. Und was wäre dann noch von ihnen übrig geblieben?
De Pento ging voran, die Strahlerwaffe in der einen und eine leistungsstarke Lampe in der anderen Hand. Dann folgte Finch, danach Fryson. Tregarde ging mit Enie van Houten und Kim Suk im hinteren Teil der Gruppe – und sie alle waren bewaffnet, sie alle hielten Handlampen hoch und versuchten, der schon fast greifbaren Finsternis im Innern der »Schlange« ein kleines Stück ihrer Macht abzuringen. Schritt für Schritt gingen sie die kerzengerade verlaufenden Korridore ab, und konnten in der Dunkelheit doch nicht weiter sehen als die paar Meter, die ihre Handlampen für sie erhellten. Es war, als marschierten sie durch Schwärze, durch ein endloses Nichts, das nur dort zu existieren aufhörte, wo sie sich momentan befanden. Ashkono weigerte sich, den Gedanken zu akzeptieren, doch mit einem Mal fühlte er sich so mutterseelenallein, wie schon seit Langem nicht mehr. Er schluckte und hielt seine Lampe höher, als wolle er ein Zeichen setzen. Aus Trotz – und aus Angst.
Es brachte nicht viel. Jeder Lichtkegel, der über die glatten, nackten und völlig eintönigen Wände des Korridors glitt, machte die Situation eigentlich noch schlimmer. Noch unangenehmer.
Denn hier war nichts, weniger als nichts sogar. In seinem Inneren war dieses Schiff völlig gleichförmig. Die Wände, Decken und Böden waren eben, gleichmäßig und allesamt in einem hellen Grauton gehalten, der jedes Licht, das auf ihn fiel, auf unerklärliche Weise zu verschlucken schien. Als sei er ein Teil der ewigen Finsternis, die vom Schiffsinneren Besitz ergriffen hatte. Die Korridore waren lang, gerade und wirkten nahezu funktionslos, wäre da nicht hin und wieder eine Tür gewesen, die von ihnen abging – in Räume und Kammern, welche nicht minder leer und eintönig waren. Grau in Grau, Architektur ohne Sinn.
Ashkono Tregarde konnte sich nicht vorstellen, welchen Zweck dieses Schiff einmal gehabt haben sollte. Es war leerer als leer. Er sah keinerlei Konsolen, keine Interfaces, mit denen man die Steuerung oder andere Funktionen hätte beeinflussen können. Keine Unterkünfte für potenzielle Crewmitglieder oder Passagiere. Nicht einmal architektonische Ideen oder Hinweise auf kulturelle Errungenschaften konnte er sehen. Das Schiff war leblos, wirkte jungfräulich und fast wie ein Rohbau. Doch bewiesen die Korridore und Räume nicht, dass es dafür konzipiert worden war, Lebewesen in sich aufzunehmen und sie zu transportieren? Bewies seine Anwesenheit nicht, dass es von irgendwo gekommen war? Dass es einst Lebewesen gegeben hatte, die es hergebracht, die ihm einen Zweck gegeben hatten?
Wenn ja, wo waren sie?
»Ich glaube, wir sollten nicht hier sein.«
Das war Finchs Stimme gewesen, leise und zittrig. Der erste Laut seit langer Zeit. Ashkono konnte den Anthropologen atmen hören.
»Reden Sie keinen Unsinn, Doktor Finch«, sagte de Pento ohne sich umzudrehen. Er hob seine Lampe höher. »Hier ist nichts, was uns gefährlich werden könnte. Sehen Sie?«
Tregarde sah, wie der Helm des Wissenschaftlers wackelte. Finch schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht«, sagte er bestimmt. »Es ist dieses Schiff selbst. Es … es will uns nicht, spüren Sie das nicht?«
»Atmen Sie ruhig ein und aus, Finch«, schaltete sich Tregarde in die Unterhaltung ein. Finch klang leicht hysterisch und seine Atmung ging immer schneller. Er stand kurz vor einer Panikattacke, und das hätte ihnen jetzt gerade noch gefehlt. »Es ist okay. Sie reagieren nur auf die Eintönigkeit und Einsamkeit dieser Gänge. Versuchen Sie, die Kontrolle über sich zu behalten. Alles, was Sie beunruhigt, kommt nicht von Außen. Es ist eine Reaktion Ihres Geistes.«
Finch blieb stehen und drehte sich zu Ashkono um. Die kleinen Lampen im unteren Bereich seines Helmes erhellten sein Gesicht ein wenig, und der Mediziner konnte es studieren. Finch schwitzte, seine Pupillen waren geweitet und seine Nasenflügel vibrierten mit jedem Atemzug wie Grashalme im Wind eines heraufziehenden Sturmes. Sein dunkelblondes Haar klebte ihm auf der nassen Stirn. »Das Schiff«, sagte er,
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