Sternenfaust - 120 - Die Welten der Erdanaar
natürliche Folge der hohen Achtung des Lebens bei den Erdanaar war. Wenn das Baumaterial lebendig und vielleicht sogar semiintelligent war, durfte man es nicht beliebig gegen seinen inneren Drang formen. Die Symmetrie war bei den Erdanaar sicherlich viel weniger Bestandteil des Schönheitsideals als bei den Menschen.
Im Raum befanden sich an die zwanzig junge Erdanaar, die auf flachen gemusterten Kissen saßen und eine holografische Projektion an der Stirnwand betrachteten. Das kohärente Laserlicht formte alabasterfarbene Säulen, die mit an Hieroglyphen erinnernden Zeichen versehen waren. Daneben stand ein erwachsener Erdanaar, der in einen anthrazitfarbenen Umhang gehüllt war.
Siehe, Izanagi, das ist Jaaron. Er unterweist uns in der alten Geschichte und den Dingen des Seins. Er zeigt uns, was es heißt, sich zu bewähren, um bereit zu sein für den Tag, an dem die Erhabenen zurückkehren. Er vermittelt uns, was es bedeutet, denen zu dienen, die uns erschaffen haben. Doch er erzählt uns auch von der undenkbar lang zurückliegenden Zeit, in welcher die Erhabenen in Zwist gerieten. Die Zeit, in der die einen das Wissen bewahren, und die anderen es vernichten wollten. Kriege unvorstellbaren Ausmaßes waren die Folge. Wir, die wir Jaaron lauschen, erzittern bei den Geschichten des Todes. Und wir jubeln bei den Geschichten des Glücks.
*
Boraan-System, irgendwo in Transalpha
Verstecke dich nicht, Lanai! Der Mond ist aufgegangen über Boraan, und ich möchte wissen, wie du dich entschieden hast. Doch ich höre dich nicht, noch vernehme ich den Rat von Boraan. Das ist kindisch, Lanai!
Sie sind sich uneins, meinte Kerunar, der den Sitz zur Rechten Yonars innehatte. Sie schweigen, weil sie bislang zu keiner Entscheidung finden konnten. Dies ist meine Ansicht, Yonar.
Auch ich meine dies, ließ sich Aroonda vernehmen, die im Sessel ganz links lag.
Nach wie vor befand sich der Verband von Sichelschiffen, die dem Rat der Wahrung unterstanden, im geostationären Orbit um Boraan. An Bord des Führungsschiffs KAERU lagen die Renegaten Aroonda, Novar, Yonar, Kerunar und Kanea in ihren bequemen Schalensitzen und betrachteten, wie der Mond Boraans über dem Planeten erschien. Die Sitze waren in einem weiten Bogen angeordnet, sodass Yonar, der als Schiffsführer den mittleren Sessel beanspruchte, am weitesten vom Bildschirm entfernt saß.
Ich spüre etwas, teilte Novar den Seinen mit. Lanai macht sich bereit, mit uns in Verbindung zu treten. Spürst du es auch, Yoaar?
Ja, Novar. Jetzt fühle ich es gleichfalls. – Lanai! Sag dein Wort der Entscheidung!
Höre denn, Yonar, ließ sich Lanai endlich vernehmen. Der Rat von Boraan hat nochmals das Für und Wider abgewogen. Nie zuvor haben sich die Alendei dem Dienst entzogen, den die Basrul von uns fordern. Und nie zuvor tauchten Zweifel daran auf, dass die Diener der Erhabenen den richtigen Weg weisen. Ihr Weg war auch immer der unsere – über alle Zeitalter hinweg. Wir leugnen dies nicht, Yonar. Doch nun sollen wir in den Krieg ziehen gegen die, die unsere Brüder sind …
Die Gaianii sind nicht unsere Brüder! Es war ein mentaler Aufschrei Yonars. Glaube dies nicht, Lanai! Glaube nicht dem Frevler Turanor!
Du nennst den Ältesten aller Alendei einen Frevler. Doch er hat uns vor Augen geführt, wie das, was so lange Bestand hatte, aus dem Gleichgewicht geriet. Die Basrul begeben sich auf den Weg der Vernichtung – doch die Gaianii suchen nur das Wissen und nicht die Zerstörung. Der Drang nach Wissen ist uns wie auch den Gaianii eingepflanzt worden von den Erhabenen. Dieses Begehren ist nicht schlecht an sich. Das Wissen ist nicht böse, nur sein Missbrauch ist es. Turanor überzeugte uns, dass die Diener der Erhabenen das Maß des Handelns, das sich immer an der Bewahrung des Lebens orientieren muss, verloren haben. Deshalb können der Rat und das Volk von Boraan deiner Aufforderung nicht …
Ein mentales Stimmengewirr schoss in die Köpfe von Yonar und seinen Begleitern. Dann wurde es zu einem Rauschen und glich einer toten Frequenz. Einzelne Störsignale waren zu vernehmen, und schließlich war der telepathische Kontakt ganz abgebrochen.
Lanai täuscht uns!, vermutete Kerunar. Er spielt uns die Einigkeit des Rates bloß vor. In Wahrheit ist Boraan alles andere als einig!
Ich stimme dir zu, Kerunar. Dies ist gleichzeitig unsere Chance. Mögen die, die auf die Wahrung des Hergebrachten bestehen, obsiegen! Noch ist Hoffnung, dass das Volk der Alendei auf
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