Sternenfaust - 120 - Die Welten der Erdanaar
schwarzen langen Haaren eingerahmt war. So hoch über ihm sah er das milde weibliche Gesicht mit den goldenen Augen, dass sich Izanagi sehr klein vorkam. Er fühlte Liebe für diese Erdanaar-Frau, obwohl er sie nie zuvor gesehen hatte. Und er spürte die Liebe, die ihm die Frau zukommen ließ. Sie war groß und ragte hoch über ihm auf. Mit einem Mal begriff Izanagi, dass Turanor in die Erinnerungen seiner Kindheit eingetaucht war. Wie Schuppen fiel es dem Christophorer von den Augen: Turanors Mutter!
Das Bild wurde immer deutlicher. Die feinen Wangenknochen und das weiche Kinn erschienen dem Christophorer so plastisch, als ob diese Frau tatsächlich gegenwärtig wäre.
Welche Erinnerungskraft! Wir Menschen gelangen über blasse Abbilder kaum hinaus. Sprich mit mir, Turanor, wie Erdanaar miteinander sprechen!
*
Boraan-System, irgendwo in Transalpha
Füge dich, Lanai! Ich will nicht glauben, dass der Rat von Boraan nicht zu erkennen vermag, vom rechten Wege abgekommen zu sein. Unzählige Zeitalter lang war sich Boraan der heiligen Aufgabe bewusst. Nie wankte Boraan – erfüllt von unserer Bestimmung. Nie zweifelte Boraan an den Dienern der Erhabenen. Und nun, da der Älteste der Alendei seiner Weisheit verlustig ging und sich eines Frevels schuldig machte, der nicht größer sein kann – da will Boraan dem Frevler Turanor in die unfassbare Schande folgen! Schäme dich, Lanai! Schäme dich, Rat von Boraan! Schäme dich, Volk von Boraan!
Das Führungsschiff KAERU befand sich mit einem Verband von über fünfzig weiteren Sichelschiffen im geostationären Orbit um Boraan IV, einem von Erdanaar bewohnten Planeten des Boraan-Systems. Yonar saß im blauvioletten Dämmerlicht der kleinen Zentrale und blickte auf den Monitor, der den von Wolken verhangenen Planeten zeigte. Vier weitere Erdanaar – oder Alendei, wie sie sich selbst nannten – besetzten die Brücke. Mit ihrer Hilfe hatte Yonar Kontakt zu Lanai aufgenommen, dem Ältesten des Rates von Boraan.
Höre, Yonar. Wieso sollten wir uns schämen, die wir das tun, was jeder Alendei zu tun hätte. Wir folgen dem Ältesten unseres Volkes, wie es seit Äonen der Brauch ist. Niemals in unserer Geschichte ist es vorgekommen, dass sich das Volk der Alendei von seinem Ältesten abgewandt hätte. Zu keiner Zeit wurde jener Auserwählte, dem man die goldene Schärpe verliehen hatte, in Zweifel gezogen. Ihm folgte stets das Volk der Alendei, dessen Vertrauen sich immer als gerechtfertigt erwies. Und so haben wir, in diesen schlimmen Zeiten, Turanor zu folgen. Wenn du von Frevel sprichst, Yonar, blicke auf dich und die Deinen! Der Rat der Wahrung, wie du ihn nennst, findet kein Recht, das ihn stützte!
Wut ergriff Yonar. Mit Mühe – und auch Verlusten – hatte der Rat der Wahrung, dem Yonar vorstand, einige wenige Welten der Erdanaar auf den rechten Weg zurückgeführt. Die Verwirrung war groß, und es blieb unfasslich für Yonar, dass so viele seines Volkes – es waren die meisten – dem Frevler Turanor folgten und damit zu verstehen gaben, dass sie dessen Weisheit über diejenige der Basrul stellten. Dies war unfassbar, und nur die große Verwirrung mochte die missgeleitete Treue zu Turanor erklären.
Yonar bemühte sich innerlich um Mäßigung. So berechtigt seine Wut auch war, so sehr wollte er es doch nicht zum Äußersten kommen lassen.
Ich widerspreche dir nicht, Lanai, wenn du auf die ehrenvolle Geschichte unseres Volkes verweist und mich daran erinnerst, dass jede Generation ihrem Ältesten mit Liebe und Vertrauen folgte. Nie zuvor gab es Anlass, die Führung eines Ältesten in Zweifel zu ziehen. Doch, Lanai, jedes Übel, das ein Volk ergreifen kann, hat einen Anfang. Turanor brach mit der uralten Tradition und verbündete sich mit jenen, die in plumper und täppischer Weise ihre groben Finger an die Dinge des Seins legen. Die Gaianii fordern den Zorn der Diener der Erhabenen heraus – und ihr Zorn war immer auch der unsere. Wenn wir uns abwenden von der Wahrung des Vermächtnisses, dann wenden wir uns von allem ab, was unserem Volk Bedeutung gab seit Ewigkeiten. Berate dich mit den Deinen, Lanai! Wenn der Mond aufgeht über Boraan, will ich deine Entscheidung haben!
Du drohst uns, Yonar, und wir wissen, was du getan hast mit den Welten von Koolau und Goshaar. Wir verurteilen dein Vorgehen und sind kaum gewillt, mit dir und den Deinen in den Kreis der Gedanken zu treten. Dennoch werden wir in uns einkehren und noch einmal alles erwägen. Doch
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