Sternenfaust - 120 - Die Welten der Erdanaar
berichten sie von der Zeit, als die Alendei begannen, sich mit den Anderen zu verbinden. In jeder Generation müssen die heiligen Texte in das Große Gedächtnis übertragen werden.
Hierzu schicken die Alendei jene aus, die einen Anderen in sich tragen. Denn sie sind bestimmt für diese Aufgabe. Ihr Wissen um die Heiligtümer ist groß. Nur denen, die einen Anderen in sich trugen, fällt es leicht, den Dienst an den Heiligtümern zu verrichten.
Wer sind die Anderen?
Die Gaianii nennen sie wohl Dronte.
Izanagi fuhr innerlich zusammen bei Erinnerung an die Geißel der bekannten Galaxis. Ihm fiel ein, dass die Dronte, nach allem was man wusste, in einer besonderen Beziehung zu den Erdanaar gestanden hatten. Hier hatte es sich nicht um ein parasitäres sondern um ein symbiontisches Verhältnis gehandelt.
Wieso trugen nicht alle Alendei einen Anderen in sich?
Dies wissen nur die Basrul. Denn sie entschieden darüber, wer sich mit einem Anderen verbindet. Ihre Kenntnis ist groß, und sie ersahen, wer die Anlagen mitbrachte, aus der Verbindung mit einem Anderen Kraft, neue Befähigung und Glück zu schöpfen. So war es auch bei Saraani …
Abrupt wechselte das Erinnerungsbild. Izanagi wurde gleichsam aus den Räumen der Unterweisung herauskatapultiert, um in einen Park zu purzeln, der, wie er jetzt bemerkte, dem Gebäude angegliedert war. Der Bruder hatte beim letzten Gedanken Turanors einen Anflug von Schmerz verspürt, dem der Erdanaar wohl durch den jähen Szenenwechsel zu entfliehen trachtete. Die Etikette gebot dem Christophorer, seine Gedanken von der schmerzlichen Empfindung Turanors abzuziehen, um dessen Willen nicht zu unterlaufen. So blickte sich Izanagi um, und entdeckte den jungen Turanor an der Seite Yonars. Gemächlichen Schrittes wandelten sie durch den Park. Am Himmel stand riesig und schemenhaft der Zwillingsplanet Helemaiu. Es schien früher Abend zu sein, und das immer noch starke Tageslicht verwischte Helemaiu im atmosphärischen Dunst Helemaiis. Dennoch waren Wolkenwirbel des Zwillingsplaneten auszumachen, zwischen denen blasses Blau und fahles Braun auf Meere und Kontinente wiesen.
Wieso fragst du nach dem Warum, »hörte« Izanagi innerlich und erschrak. Denn dies kam nicht aus der Identität Turanors, die ihn die ganze Zeit über eingehüllt hatte. Es war, als ob sich eine dritte Person in die Gedankenverbindung zwischen dem Christophorer und dem Erdanaar gemischt hätte.
Wenn uns alles von den Erhabenen gegeben wurde, so auch die Frage nach dem Warum, »erklang« es vertraut in Izanagis Geist.
Der Mönch fing an zu begreifen, was hier geschah. Turanor reproduzierte eine gedankliche Unterhaltung, die er einst mit Yonar geführt hatte. Gleichzeitig spürte Izanagi, wie anstrengend die Vermittlung dieser Reproduktion für Turanor wurde. Der Christophorer verstand, dass er dem Erdanaar hierbei helfen konnte, wenn er sich selbst stärker auf diese Art der Vermittlung konzentrierte.
Die Alendei sind die Diener der Basrul, und du fragst Jaaron nach dem Warum. Spürtest du nicht die Welle der Aufregung, die durch das Kollektiv lief?
Izanagis Herzschlag beschleunigte sich. Er nahm nicht nur Yonars Frage wahr, sondern auch dessen Geist in seiner Gesamtheit – so wie die Alendei untereinander sich in ihrem ganzen Spektrum wahrnehmen. Es schien, als ob der Mönch selbst zu einem Erdanaar geworden wäre. Doch Izanagi war ein Mensch, und was er hier erlebte, forderte ihn über die Maßen.
Ich spürte die Welle der Aufregung und empfand Scham. Doch Jaaron blieb milde.
Jaaron ist allzeit milde, Turanor. Dies ist seine Größe und sein Mangel. Doch ich will ihn nicht schmähen. Denn seine Unterweisungen erfüllen mich immerzu mit großer Freude. Er lehrte uns die alles überragende Geltung der Basrul. Sie sind zu Dingen fähig, die kein Alendei vermag. Ihr Wissen übersteigt das unsere um Dimensionen. Unser Glück liegt darin, ihnen zu dienen. So wie sie selbst den Erhabenen dienen. So ist unser Dienst an den Basrul zugleich ein Dienst an den Erhabenen, und wir nehmen Teil daran, das Erbe zu bewahren.
Jaaron meint, dass es Suchende und Bewahrer in diesem Universum gibt.
Doch meint Jaaron nicht auch, dass die Alendei und die Basrul zu den Bewahrern gehören? Hat er uns nicht zu verstehen gegeben, dass der Suchende zum Sünder werden kann? Und dann womöglich die Frage nach dem Warum stellt?
Du hast recht, Yonar. Wieder überfließt mich die Scham. Ich bewundere die Festigkeit deines Vertrauens.
Das
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