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Sternenfaust - 122 - Das Wrack

Sternenfaust - 122 - Das Wrack

Titel: Sternenfaust - 122 - Das Wrack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymous
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Achseln, dann trat er über die Schwelle der offen stehenden Tür und nahm auf einem der noch freien Stühle Platz. Niemand der Anwesenden achtete auf ihn, ganz wie er erhofft und insgeheim sogar erwartet hatte.
    Was hatte der Overall gesagt? Unser Gastgeber? Na, dieser Person wollte Max gern ein paar Fragen stellen.
    Mehrere Minuten verstrichen, und die Männer verharrten in völliger Stille, wartend. Zwei Mal schlug der Overall einem der Nackten den Strohhut vom Kopf, und zwei Mal hob dieser ihn wortlos vom Boden auf, setzte ihn sich wieder auf das von schütterem braunem Haar nur partiell bedeckte Haupt.
    Danach nickte er dem Bärtigen stets dankbar lächelnd zu – eine Geste, die Overall demonstrativ nicht zur Kenntnis nahm. Der Kahle blickte aus dem Fenster und hielt sich dabei seinen Trichter wie ein Fernrohr vors Auge.
    Kurz spielte Max mit dem Gedanken, das Wort zu ergreifen und ein paar seiner Fragen loszuwerden, doch er verwarf ihn so schnell wieder, wie er gekommen war. Ihm war mit einem Mal, so absurd das rational betrachtet auch klang, als hätten diese Gestalten es nicht verdient, dass er sie ansprach.
    Die vom Eingang gesehen rechte Seitenwand des Raumes lag hinter der Bühne und bestand, soweit Max es sehen konnte, aus nichts als einem dicken, weinroten Stoffvorhang. Plötzlich raschelte es dahinter. Der Vorhang wiegte leicht vor und zurück, und wurde dann von zwei Händen einen Spalt auseinander geschoben. Ein Mann trat ins Licht. Er war glatt rasiert und vielleicht Mitte Fünfzig, aber durchtrainiert und körperlich gut in Schuss. Er trug einen zerknitterten weißen Leinenanzug, ein schmutziges weißes Hemd und eine dünne, schwarze Krawatte. Kurz geschorenes schwarzes Haar über hellblauen, wachsamen Augen.
    »Management«, brummte Overall missmutig und schlug dem Nackten erneut den Strohhut vom Kopf.
     
    *
     
    »Ochrasy.«
    Die Stimme des schlanken Mannes im Leinenanzug war klar, seine Aussprache deutlich und sanft. In seinen braunen Augen lag ein vieldeutiges Glitzern, während er seinen Blick über die Anwesenden schweifen ließ. Er wirkte ganz in seinem Element.
    »Ochrasy. Unser Ziel, unser Hafen, unser Sein.« Er hob die sehnigen Hände, streckte die Arme aus. Max sah, dass seine Handflächen vor Schmutz ganz verkrustet waren.
    Der Mann – der im Overall hatte ihn »Management«, genannt – machte zwei Schritte über die Bühne, dann stand er hinter dem Sessel, legte seine Arme auf dessen Rückenlehne ab und senkte den Kopf. »Doch die Reise ins Glück ist schwer, meine Freunde. Schwer und entbehrungsreich.«
    Management seufzte, und wie aufs Stichwort erklang plötzlich leise Musik. Ein sanftes Hintergrundgeräusch, orientalisch anmutend. Irrte sich Max, oder lag auf einmal ein leichter Lavendelduft in der Luft?
    »Aber haben wir je aufgegeben?« Der Mann hob den Blick, sah abermals seinen Gefährten ins Gesicht. »Haben wir uns beklagt, gehadert, uns für unseren eingeschlagenen Weg verflucht?«
    Der Bärtige im Overall grunzte erneut. Der Nackte mit dem Strohhut guckte ihn despektierlich an.
    Management schüttelte den Kopf. »Nein, meine Freunde. Meine Brüder.«
    »Puissance!« Die Strohhutträger nickten begeistert. »Puissance!«, wiederholten sie einstimmig.
    Irgendetwas in Max’ Gedächtnis machte Klick. Der Name klang vertraut. Hatte der Typ mit der Glatze nicht gesagt, es sei gleich Zeit für Puissance? Damals hatte Brooks dem Begriff keine Bedeutung beigemessen, nun verstand er aber, dass es sich dabei wohl um den Namen ihres »Gastgebers«, im Leinenanzug handeln musste.
    Max wandte den Kopf zur Seite und warf dem Kahlen einen Blick zu. Der sah aus, als interessiere ihn das alles gar nicht. Der Kahlköpfige setzte gerade das enge Ende des Trichters an seinen Mund und blies hinein wie in eine Trompete. Luft entwich zischend.
    »Ich frage euch: warum?« Puissance hob den rechten Arm, deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger von einem zum anderen. »Was ist es, das uns antreibt, jenseits aller Widerstände? Was ist es, das uns die unbeschreiblichen Opfer, die das Schicksal uns auferlegt hat, erbringen lässt, wieder und wieder?«
    Niemand antwortete. Max bekam den Eindruck, als sei dies auch gar nicht nötig. Puissance wirkte wie ein Mann, der sich gerne reden hörte. Seine Fragen waren rein rhetorischer Natur, ihre Antworten lieferte er selbst. Vermutlich nicht zum ersten Mal.
    So auch in diesem Fall. »Ochrasy«, hauchte Puissance, und es klang ehrfurchtsvoll, nahezu heilig.

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