Sternenfaust - 123 - Zwischen den Sonnen
überhaupt nicht aufgetaucht.
Irgendwann hatte sie sich, zu Tode erschöpft von den unzähligen Eindrücken, die in Lor Els Auge auf sie eingeströmt waren, in ihre Kabine an Bord der MERCHANT zurückgezogen und war sofort eingeschlafen. Der Kloakengestank wirkte umso stärker, weil sie ihm einige Stunden entronnen gewesen war.
Etwas Wasser und frische Kleider machten einen neuen Menschen aus ihr. Ohne Frühstück schlurfte sie zu Harrys Privatkabine und hoffte, ihn nun dort anzutreffen. Auch wenn sie die erste Offizierin und einzige der Mannschaft war, die geblieben war – es gab einiges, das sie nicht alleine entscheiden wollte und konnte.
Harry öffnete ihr die Tür. Er sah gelinde gesagt schrecklich aus. Unter seinen Augen lagen dicke Ringe, seine Lippen waren spröde, in den Mundwinkeln schuppig, wie immer, wenn das Chaos über ihm einstürzte und er schwere Gedanken wälzte, die ihm den Schlaf raubten.
Seine Worte standen jedoch ganz im Widerspruch zu diesem ersten Eindruck. »Schön dich zu sehen. Ich habe einen Tipp bekommen. Einen todsicheren Tipp. Wir sollten so schnell wie möglich von hier verschwinden und erst mal …«
»Hast du einen Luftfilter?«, fragte sie. »Und eine Mannschaft?«
Er räusperte sich. »Nicht … nicht ganz. Wie sieht es bei dir aus? Mal ehrlich, fliegen wir eben mit stinkender Luft weiter und kümmern uns später darum. Wichtig wäre eher, zumindest einen Notbetrieb aufrechterhalten zu können. Wir brauchen einen Ingenieur und einen oder zwei weitere universell einsetzbare Leute.«
Katar und Toler , dachte sie. »Ich hätte da etwas für dich. Es dauert keine Stunde mehr, bis uns jemand aufsuchen wird. Ihr Name ist Sonda Katar. Wie es aussieht, unsere neue Chefingenieurin.«
»Wunderbar!« Die Erleichterung sprang ihm geradezu aus dem Gesicht. »Ich wusste, dass du die Beste bist! Die Beste !«
»Besser als die rothaarige J’ebeem-Sexbombe? Was ist eigentlich aus der geworden?«
*
»Besser als die rothaarige J’ebeem-Sexbombe? Was ist eigentlich aus der geworden?«
Die Worte stießen Harry übel auf. Gerade hatte er es geschafft, einmal für wenigstens fünf Minuten nicht an Ar’ellana zu denken. Ar’ellana, die Täuscherin. Das elende Miststück. Das raffinierte Weib. Die Hure. Die ihn aufs Kreuz gelegt hatte … und das nicht nur im wörtlichen Sinn.
Und dachte er an sie, dachte er auch an den Schuldschein. Daran, dass er die MERCHANT verspielt hatte.
Sollte er es Savanna sagen? Nicht, solange er es irgendwie vermeiden konnte. Seine Einschätzung der Lage änderte sich von Minute zu Minute. Immer wieder hatte er darüber nachgedacht, ob er einfach fliehen sollte. Mit etwas Glück entkam er und würde sich nie wieder hier blicken lassen müssen. Einem Handelsschiff war es schließlich ein Leichtes, gerade diese Raumstation nicht anzufliegen. Wurmloch ade – aber was wollte er auch auf der anderen Seite der Galaxis?
Andererseits hörte er Ar’ellanas Aufforderung immer wieder, die ihm riet, es gar nicht erst zu versuchen. Wahrscheinlich hatte sie recht. Die Verbindungen von Leuten wie dem Fetten reichten für gewöhnlich weit, und es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis Harry mit einer Bombe im Hintern aufwachte, falls er floh … oder eben nicht mehr aufwachte, weil in tausend Stücke zerrissen worden war.
Seine Gedanken drehten sich immer wieder im Kreis. Eins war klar: Eine logische Lösung für das Dilemma gab es nicht. Das Beste war wohl, tatsächlich irgendwie und irgendwo Geld aufzutreiben und den Fetten auszubezahlen.
Doch das war leichter gesagt als getan.
Oder genauer gesagt: Es war unmöglich.
»Harry?«, hörte er Savannas Stimme wie aus weiter Ferne.
»Dieses Weib war ein Biest«, sagte er, möglichst beiläufig. »Wollte mich reinlegen, aber da ist sie bei Harry Chang an den Falschen geraten. Ich hab ihr noch einen Hinweis aus dem Kreuz geleiert und …«
»Aus dem Kreuz ?«, unterbrach sie spöttisch.
»Jedenfalls«, meinte er beleidigt, »würde ich deine Chefingenieurin gerne kennenlernen. Sonja wie …?«
»Sonda«, verbesserte Savanna. »Sonda Katar. Sie wird bald hier eintreffen.«
»Wunderbar.« Harry fühlte sich ein wenig besser. Mit einer guten Ingenieurin war es immerhin theoretisch möglich zu fliehen. Wenn er die Entscheidung, es tatsächlich zu tun, auch noch lange nicht endgültig getroffen hatte. »Dann sollten wir erst mal was essen.«
»Wie es der Zufall will, habe ich gestern noch eine Menge Nahrungsmittel an
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