Sternenfaust - 133 - Angriff auf Lor Els Auge
und die Angst, die wenige Meter unter ihr aufwallte, nahm von ihr Besitz.
So sehr die Kridan sich auf ihre Gläubigkeit einbilden mochten, einem Gott der Liebe folgten sie gewiss nicht.
In der Kommandozentrale gab es Diskussionen. Wortfetzen flogen hin und her.
Eine Frau fing an zu weinen. Jemand schimpfte. Ein Mann brüllte und gestikulierte wild. Savanna erkannte mit grausamer Klarheit, dass der Auswahlprozess seinen Gang nahm.
»Ich will aber nicht!«, schrie eine andere Frau.
»Dann werden wir losen!«, forderte eine schmale Asiatin.
»Wir werden gar nichts tun«, brüllte Toler.
»Wollen Sie wirklich, dass drei sterben, wenn nur einer sterben muss?«, fauchte ein dicker Mann in weißer Küchenuniform.
»Nur? Hören Sie sich mal zu, Mann. Sie reden wie ein Monstrum!«, gab eine Braunhaarige zurück.
»Alle herhören«, unterbrach Toler die Verwirrung. »Ich werde niemanden aussuchen.«
Mess-Broar hob die Waffe.
»Warten Sie!« Toler hielt abwehrend eine Hand vor sich. Nun sah Savanna auf seinem Gesicht Angst.
Zwar kontrolliert, aber seine Augen irrten durch den Raum, als hoffe er, irgendwo dort einen Ausweg aus seiner Misere zu finden.
»Verdammt, warum hatten Sie auch den Helden spielen müssen?«, heulte eine Dunkelhäutige. »Das haben wir nun davon.« Sie fing an zu weinen.
Ein junges Mädchen drückte sich an die Schulter eines Mannes, der vermutlich ihr Vater war, und schluchzte herzzerreißend.
Zwischen all dem stand Toler. Einsneunzig, dunkelhaarig, ein bärtiger Hüne, der einen Fehler gemacht hatte. Seine Arme hingen schlaff an ihm herab, Hilflosigkeit prägte seine Mimik. »Lassen Sie uns reden, Kommandant«, sagte er und trat auf den Kridan zu. »Lassen Sie uns nach einer anderen Möglichkeit suchen.«
Er wird sterben! , dachte Savanna. Der Kridan wird ihn erschießen. Sie hatte sich an Tolers selbstbewusste Art gewöhnt, mochte ihn auf gewisse Weise und reiste gerne mit ihm auf der MERCHANT II. Nun würde ihn sein großes Mundwerk umbringen.
Der Kridan stieß Toler zur Seite. Dieser machte zwei gestolperte Schritte und wäre fast über die Beine einer Frau gefallen. Dann hörte er das Geräusch.
Der Schuss war leise, die Wunde grauenvoll. Der dicke Mann in der weißen Uniform des Küchenpersonals wurde nach hinten geschleudert. Seine Bauchdecke riss auf, Blut benetzte die sitzenden Geiseln. Der Mann drehte sich um die eigene Achse, fiel vornüber und verfehlte nur knapp ein junges Mädchen, welches aufschrie und den Kopf unter ihren Armen verbarg. Seine Beine zuckten, dann lag er still.
Frauen und Männer kreischten haltlos. Es roch nach verschmortem Fleisch.
Der Kridan sah sich im Raum um. Er sah den Leuten in die Gesichter. Es war nicht klar, wonach er suchte, doch schließlich schien er es gefunden zu haben. Er zielte und schoss.
Dann wiederholte sich das Spiel.
»Nun hören Sie doch auf!«, schrie eine junge Frau. Das war ihr Fehler gewesen. Ihr letzter Fehler. Der Kridan zielte und schoss.
Dann wandte sich Mess-Broar zu Toler. »Setz dich, Ungläubiger.«
»Ich denke nicht daran!«, rief Toler. Seine Lippen bebten, seine Hände zitterten.
Der Kridan krächzte, hob die Waffe und feuerte.
Wortlos ging Toler zu Boden. Er fiel direkt in die Blutlache, die sich nur einen Meter von der ersten Leiche entfernt gebildet hatte. Sein Gesicht war ausdruckslos, seine Augen starrten ins Leere.
Savanna schob sich mit dem Rücken gegen die Kunststoffröhre. Sie drückte ihren Hinterkopf dagegen und schluchzte lautlos. Es hatte Toler erwischt! Was für ein Albtraum! Toler, den sie wegen seines Bartes geneckt hatte. Toler, der … Nein, sie durfte jetzt nicht daran denken! Keine Trauer. Sie musste sich beruhigen. Sie wählte mit bebenden Fingern den Code für die MERCHANT II. Sie musste irgendjemanden informieren. Sie musste Hilfe holen. So konnte es nicht weiter gehen.
Nichts! Der Kontakt konnte nicht hergestellt werden.
Sie versuchte eine andere Frequenz. Wieder nichts. Kein Kontakt. Schirmte die Plasmaleitung also doch jedes Signal ab? Würde sie in dieser verfluchten Röhre stecken und warten müssen, bis die Station in die Luft flog?
Ihre Finger gehorchten ihr kaum, als sie eine weitere Zahlenkolonne tippte. Es knackte und knisterte. Dann eine Frauenstimme.
»Hier spricht Sonda Katar von der MERCHANT II. Hier spricht Sonda Katar von der MERCHANT II!«
Savanna traute ihren Ohren nicht. Sonda? Sie war auf der MERCHANT II? Sie reduzierte die Lautstärke, dann begann sie zu
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