Sternenfaust - 148 - Herrscher der Orphanen (2 of 2)
Flotte, die sich auf dem Weg zum Heimatsystem der Schnabellosen befindet. Hört mir gut zu! Ihr seid belogen und betrogen worden! Mar-Tanjaj Danur-Tak hat über den Tod Seiner Heiligkeit infame Lügen verbreitet und ignoriert vorsätzlich den Letzten Willen des Raisa!«
»Was?«, schrie Danur-Tak. »Was erlaubst du dir, Priester? Der Raisa selbst befahl den gnadenlosen Angriff als Rache für das feige Attentat der Menschen. Wenn du etwas anderes behaupten willst, dann bist du es, der lügt!«
Aber Letek-Kun reagierte nicht auf das Geschrei des Mar-Tanjaj. Offenbar konnte er ihn gar nicht hören.
Danur Tak rannte zur Kom-Einheit, stieß Kar-Nutan zur Seite und hieb mit den Krallen auf das Bedienfeld ein. Es änderte sich nichts. Ohne, dass er eingreifen konnte, verkündete Letek-Kun der Flotte die Wahrheit über das Ende des Raisa.
»Lüge! Alles Lüge!«, rief der Mar-Tanjaj. Er hieb mit den Krallen so lange auf die Kom-Konsole ein, bis sie unter der Macht seiner Schläge zerbarst. »Eine Fälschung! Diese Nachricht ist nicht echt! Die Schnabellosen haben sie uns geschickt. Sie wollen uns demoralisieren, uns gegeneinander aufhetzen!«
»Wer an der Echtheit dieser Nachricht zweifelt, den bitte ich, noch einen Moment innezuhalten und jemand anderem Gehör zu schenken«, sagte Letek-Kun jetzt.
Das Bild wechselte, und ein anderer Kridan erschien.
Nein, nicht das auch noch! , durchfuhr es Danur-Tak. Nicht auch noch das …
»Mein Name ist Kira-Dun. Ich bin der Leiter des Bolpor. Ich versichere euch allen, dass die vorangegangene Botschaft des Priesters Letek-Kun in vollem Umfang der Wahrheit entspricht. Zweifelt nicht an den Worten desjenigen, der den Raisa bei seinem ehrenhaften Tode begleitet und seinen Letzten Willen persönlich entgegen genommen hat. Ich appelliere an euch alle: Brecht den Angriff ab! Ihr fliegt in euer Verderben!
Ehrt das Andenken des Raisa und folgt seinem Letzten Willen. Möge Gott euch gnädig sein!«
Daraufhin wurde der Bildschirm schwarz. Wenige Augenblicke später kam das ursprüngliche Signal wieder durch, und die schematische Anzeige der Flotte erschien erneut auf dem Schirm.
Mit Entsetzen bemerkte der Mar-Tanjaj, dass über dreißig Einheiten bereits ihren Flug verlangsamt hatten und offenbar ein Bremsmanöver einleiteten.
»Was machen die denn da?«, flüsterte Danur-Tak entgeistert. »Mein Befehl lautete …«
»Dein Befehl zählt nicht mehr«, hörte er eine Stimme hinter sich. Es war die von Kar-Nutan.
»Du … du glaubst, was dieser elende Verräter da von sich gegeben hat?«, fragte der Mar-Tanjaj ungläubig. Er blickte in die Gesichter seiner Brückenoffiziere. Was ihm entgegenschlug, war unverhohlene Ablehnung, Ekel und Hass. Niemand auf der Brücke der ERLÖSER schien mehr auf seiner Seite zu sein.
Sogar mein bester Freund nicht …
»Du hast es gehört«, rief Kar-Natun. »Wir müssen umkehren!«
»Nein!«, schrie Danur-Tak. Er machte langsam ein paar Schritte rückwärts. »Ihr … ihr seid alles Verräter! Ihr … Ich kann euch nicht mehr trauen. Ihr wisst, was das heißt!«
Ich weiß, was das heißen muss …
Ohne zu zögern, ruckte der Graser von seinem Gürtelholster in seine Kralle. Er ließ ihnen keine Chance zu reagieren.
*
In der Zeit der Toten Götter
Mato Kin Wayat saß am Totenbett Talico Kin Suncas. Gestern war der Ingenieur gestorben – der letzte von Mato Kins Mitarbeitern. Die meisten anderen hatten über die Jahre hinweg die Entstofflichung gewählt, doch nicht so Talico Kin Sunca.
Er war immer der Ansicht gewesen, dass man vor der notwendigen Aufgabe nicht fliehen dürfe – ebenso wie Mato Kin. Doch nun hatte der Tod ihn ereilt, ohne dass er noch die Kraft gefunden hätte, den Prozess der Entstofflichung einzuleiten.
Wie viele Jahre waren vergangen, seitdem die Orphanen Zintkadan angegriffen hatten? Mato Kin wusste es nicht mehr. Nun waren er und Matai Kai die Einzigen, die noch lebten. Matai Kai, mit der er vor so langer Zeit im letzten Augenblick in die Kuppel gesprungen war …
Der verstorbene Ingenieur hatte das große Auge mit den sieben Pupillen für immer geschlossen, und seine tote Haut schimmerte in fahlem Hellblau. Mato Kin fragte sich, ob denn jetzt all die Arbeit vergebens gewesen war, die er und Talico Kin Sunca seit ungezählten Jahren auf sich genommen hatten. Musste er nun die Hoffnung endgültig aufgeben, die sechs Orphanen doch noch unter Kontrolle zu bekommen? Das Projekt, an dem zum Schluss nur noch er und
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