Sternenfaust - 148 - Herrscher der Orphanen (2 of 2)
Talico Kin Sunca gearbeitet hatten, war nicht zur Gänze abgeschlossen; und ihm fehlte die Kraft, es alleine zu beenden. Sicher stärkte ihn Matai Kai, und ohne sie wäre er vielleicht ebenfalls nicht mehr am Leben, doch bei seinen wissenschaftlichen Problemen konnte sie ihm nicht helfen.
In den ungezählten Jahren hatten die Mentoren, die unter der Kuppel Zuflucht genommen und Schutz gefunden hatten, insgesamt dreimal den multidimensionalen Tarnschirm für wenige Minuten geöffnet. Die kurzzeitige Strukturlücke war geschaffen worden, um so viele HD-Frequenzen wie möglich abzuhören. Denn schließlich waren sie vollkommen abgeschnitten von einer Welt, die, wie sie erfuhren, sich auf beängstigende Weise geändert hatte. Zintkadan war nicht länger ein lebendiger Planet. Die Orphanen hatten seinen Mond Tatokadan aus der Bahn geworfen und zur Kollision mit Zintkadan gebracht. Gar nicht weit von der Stelle, an welcher die Kuppel im Normalraum existiert hatte, war Tatokadan eingeschlagen und hatte ein riesiges Gebirge aufgeworfen. Niemand unter der Kuppel hatte auch nur das Geringste davon gespürt, da die schützende Raumzeitblase im HD-Kontinuum lag.
Alles Leben auf Zintkadan war ausgelöscht worden, und der Planet hatte mit der Zeit seine Atmosphäre verloren. Er war zu einem toten Felsbrocken im All geworden, und irgendwann weit in der Zukunft würde niemand mehr wissen, dass Zintkadan einst eine Heimstatt für die Hochkultur der Mentoren gewesen war.
Was würde man in ferner Zukunft überhaupt noch über die Hochkultur der Mentoren wissen können? Denn die Nachrichten, die Mato Kin und die Seinen unter der Kuppel aufschnappen konnten, gaben keinen Anlass dazu, an den Fortbestand dieses alten Volkes zu glauben. Der Krieg schien zwar zu seinem Ende zu kommen, doch um den Preis, dass die Parteien, die ihn einst geschürt hatten, mehr und mehr von der Bildfläche verschwanden. Die Wissensvernichter hatten die Flucht in die Dunkelheit angetreten, und die wenigen Dienervölker, die noch für sie in den Kampf zogen, trafen auf immer weniger Verbündete der Mentoren, und noch seltener trafen sie auf diese selbst. Denn der Drang zur Entstofflichung, der bereits zu der Zeit spürbar geworden war, als Mato Kin noch unter seinesgleichen wandelte, hatte überhandgenommen. Mato Kin zweifelte nicht daran, dass der Wunsch, die Einzelexistenz aufzugeben, seit jenem furchtbaren Krieg innerhalb der Mentoren gewachsen war.
Auch Matai Kai, seine über alles geliebte Frau, sprach immer wieder von der Möglichkeit, die individuelle Existenz aufzugeben. Doch Mato Kin wollte hiervon nichts hören. Denn seine Aufgabe als ein biologisches Wesen war längst nicht beendet. Er war der Kopf eines Projektes, das der Galaxie hätte Frieden bringen sollen und das Gegenteil bewirkt hatte. Er war der Vater der Orphanen, die schließlich zur Geißel der Galaxis geworden waren. Er war verantwortlich für den Misserfolg dieses Projektes. Die Entstofflichung zu wählen wäre für Mato Kin nichts anderes als die Flucht aus der Verantwortung gewesen. Die aber hatte er sich geschworen bis zum letzten Atemzug seiner biologischen Existenz zu tragen. Und auch Talico Kin Sunca und einige der anderen Ingenieure hatten sich dieser Verantwortung gestellt. Es schien – wenn überhaupt – nur eine Möglichkeit zu geben, die freigesetzten und autark operierenden Orphanen unter Kontrolle zu bringen. Diese einzige Option hatte Mato Kin von allen Seiten durchdacht, und er war schließlich zu der Überzeugung gelangt, dass es funktionieren könnte. Ein neues Projekt wurde ins Leben gerufen, und dieses Projekt erhielt den Namen Der siebte Orphane .
Nur ein weiteres Kunstwesen, das auf der Grundstruktur eines Orphanen beruhte, würde die Möglichkeit bieten, die Autarkie der Tentakelwesen zu brechen. Nur ein unermesslich überlegener Orphane würde in die Programmierung seiner ›Artgenossen‹ eingreifen können. Und es war nötig, dass dieser Orphane, der mit einer überragenden künstlichen Intelligenz ausgestattet sein würde, auf die biologische Matrix eines Wesens hin programmiert werden musste, welches mehr als jedes andere Wesen den Rückzug der sechs Orphanen wünschte. Hatte Mato Kin davon gesprochen, in gewissem Sinne Vater der Orphanen zu sein, so würde dies für den siebten Orphanen umso mehr gelten. Mato Kin hatte erkannt, dass es ein viel zu großes Risiko wäre, den neuen Orphanen als autarke Einheit zu programmieren, wie es bei den anderen
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