Sternenfaust - 154 - Welt der Naniten (2 of 2)
Harry Chang wirkte das Logo eher langweilig als innovativ, was wohl die eigentlich beabsichtigte Wirkung war. Immerhin handelte es sich bei dem Unternehmen um die – so lautete zumindest ein Teil der Werbesprüche – modernste Firma schlechthin.
Sie stellte den Dreh- und Angelpunkt der Nanitentechnologie auf diesem Planeten und damit die bedeutendste Wirtschaftsmacht dar … oder, wie man auch munkelte: De facto beherrschte sie diese Welt.
Es hatte Tamris viel Mühe gekostet, überhaupt einen Termin mit einem der mächtigeren Entscheidungsträger zu vereinbaren. Harry Chang und Vince Taglieri waren hierbei natürlich nicht angekündigt worden, was besonders mit Blick auf den Ratsvorsitzenden nicht unproblematisch war. Immerhin bestand die Möglichkeit, dass Taglieri bei einer Überprüfung als Ausbrecher entlarvt wurde.
Kurz, es war eine überaus heikle Situation, und sie würden alles daransetzen, dass es zu keiner Eskalation kam.
Harry kam sich vor wie ein Agent, als er auf die halbtransparente Wand zuging. Tamris und Taglieri durchschritten sie vor ihm – so sah es zumindest aus. Tatsächlich wich die Wand vor ihnen zurück und schaltete einen exakt auf ihren Körperumfang zugeschnittenen Durchgang. Es blieb keinerlei sichtbarer Freiraum rundum.
Hightech-Spione konnten sich kaum anders fühlen. Schon wieder eine neue Erfahrung in seinem an Abwechslung nicht gerade armen Leben. Vielleicht sollte er, wenn dies alles vorüber war, tatsächlich eine Geheimdienst-Karriere anstreben. Aufregender konnte das auch nicht sein, aber es würde wenigstens eine Festanstellung bedeuten, die ein regelmäßiges Einkommen sicherte. Auf der anderen Seite war es für ihn kaum denkbar, seine Freiheit als Schiffskapitän aufzugeben. Dann vielleicht doch lieber ständig auf der Suche nach Geld sein, dabei aber frei und unabhängig bleiben.
Er durchquerte diesen extravaganten Eingang ebenfalls.
»Schnickschnack«, sagte Tamris ungerührt. »Ich stellte mir gerade vor, wie dieses ominöse Virus auch hier zuschlägt, und sich die Besucher im wahrsten Sinne des Wortes die Nasen platt drücken.«
»Überflüssige Pseudo-Eleganz«, stimmte Taglieri zu. »Rein der Repräsentanz dienend, aber mit keinerlei praktischem Nutzen verbunden. Eine gute, altmodische Tür wäre viel eher nach meinem Geschmack.«
Sie standen in einer weiten Halle, in deren Mitte ein Springbrunnen plätscherte. Lampen strahlten aus Nischen in den Wänden und der gestaffelten Decke. In einer weitläufigen Bodenmulde waren Liegeflächen eingelassen, die sich zweifellos perfekt den Konturen der Ruhenden anpassen würde. Als Harry den Springbrunnen passierte, sah er, dass es nicht etwa Wasser war, das darin zirkulierte, sondern eine nanotechnische Nachbildung – die Flüssigkeit glitzerte, wie es gewöhnliches Wasser niemals vermocht hätte.
»Nur eins fehlt«, meinte Harry nüchtern. »Jemand, der uns begrüßt.« Ihm kam es seltsam vor, dass sich in einer derart riesigen Empfangshalle niemand aufhielt. Er schätzte ihren Durchmesser auf mindestens fünfzig Meter.
Plötzlich stand eine Frau mitten in der Halle, nur wenige Schritte entfernt. So unvermittelt, wie sie erschienen war, konnte sie sich unmöglich auf normalem Weg genähert haben.
»Guten Tag«, begrüßte sie die Neuankömmlinge. »Ich nehme an, Gerser Tamris, Sie verbürgen sich für Ihre beiden Begleiter.«
Der J’ebeem bejahte, und Harry fragte sich, ob dies schon alles war. Dann hätten sie die erste Klippe erstaunlich leicht umschifft.
Die Dame war schlicht perfekt – die Maße ein Traum, die Haare seidig schimmernd, und das Kleid umschloss sie wie eine zweite Haut, die jede, aber auch jede Kurve betonte. Fettpölsterchen oder ein das völlige harmonische Gleichmaß zerstörender zu schmaler oder zu breiter Muskel waren für sie wohl unvorstellbar. Eine Blumentätowierung umschmeichelte den gewagten Brustausschnitt, der gerade so weit ging, dass man es noch nicht unverschämt nennen konnte, aber weit genug, um jeden Blick auf sich zu ziehen. Neben ihr wären vermutlich sogar Sonda und Savanna verblasst.
Eine Offenbarung von Kopf bis Fuß, eigentlich zu gut, um echt zu sein.
Lag darin des Rätsels Lösung? War sie deshalb plötzlich mitten im Raum aufgetaucht, weil sie aus Naniten bestand?
»Folgen Sie mir bitte«, sagte die Dame, ging zwei Schritte – und verschwand.
Jedoch nur, um sofort darauf den Kopf aus dem Nichts wieder zurückzustrecken – ansonsten waren nur ihr schlanker
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