Sternenfaust - 156 - Sol X (1 of 2)
unauffällig in die Richtung seiner Firma. Ja, jetzt erkannte er es: Zwei dunkle Gleiter parkten vor dem Portal. Das musste nichts bedeuten, aber es konnte eben auch heißen, dass die GalAb in den Geschäftsräumen herumlungerte und bereits seinen Boss Mirko Nepala ausquetschte.
Es war zu riskant. Eindeutig zu riskant.
Was tun?
Das, wovor er sich die ganze Zeit gefürchtet hatte: sich mit Anna treffen und ihr sagen, was passiert war. Er würde sie nicht zu Hause aufsuchen können. Es war nicht völlig undenkbar, dass die GalAb inzwischen auch ihre Wohnung überwachte.
Alwin überlegte, wie er sie möglichst risikolos treffen konnte. Und dann hatte er eine Idee.
*
Erde, New York, Regierungsgebäude »Grüne Gurke«, 1. Februar 2272
Vincent Taglieri, seit dem 25. November 2271 Vorsitzender des Hohen Rates der Solaren Welten, tigerte im sogenannten Kleinen Sitzungssaal auf und ab. Der nur acht Meter durchmessende Raum verbarg hinter seinem barock anmutenden Dekor die ausgefeilteste Technik, die man sich nur denken konnte. Die zweiteilige Stirnwand war im Boden und in der Decke verschwunden, und statt ihrer war nun ein Feld von zwanzig 3-D-Monitoren zu sehen, über welche die verschlüsselte Kommunikation mit allen relevanten Stellen und Einrichtungen der Solaren Welten lief.
Vince hatte den Kleinen Sitzungssaal zum Standort des Krisenstabs gemacht, der von ihm zusammengestellt worden war. Mark Sorensen, Ratsmitglied für Verteidigung, Kalpren Suresh, Ratsmitglied für Außenpolitische Angelegenheiten, einige Staatssekretäre und Star-Corps-Militärs sowie Gregory Laurie, Leiter der New Yorker GalAb-Zentrale, waren anwesend. Laurie war bis vor Kurzem noch Chef der gesamten Galaktischen Abwehr gewesen, doch Vince hatte bei seinem Amtsantritt Shamar al Khaled auf diese Posten gehoben und Laurie vorübergehend die New Yorker GalAb-Dependance übernehmen lassen. Es war Vince natürlich klar, dass er Laurie damit keinen Gefallen getan hatte, doch hörte die Neubesetzung von Ämtern nun einmal zu den ersten Dingen, die ein frisch gewählter Ratspräsident unternahm, um seinen politischen Zielen die gewünschte personale Unterstützung zu verschaffen.
Shamar al Khaled war bereits vom Hauptsitz der Galaktischen Abwehr auf dem Merkur gestartet und befand sich auf dem Weg zur Erde.
Vince schritt mit auf dem Rücken zusammengelegten Händen auf und ab. Es war schlicht nicht zu fassen, doch es gab keine Zweifel an dem Phänomen : Ein terrestrischer Planet war exakt auf der Erdbahn und exakt in Konjunktion zur Sonne von einem Moment zum anderen aufgetaucht. Er hatte dieselbe Orbitalgeschwindigkeit wie die Erde und würde also – sofern sich die Geschwindigkeit nicht veränderte – niemals von der Erde aus sichtbar sein, da er sich immer genau hinter der Sonne befand. Es handelte sich tatsächlich um eine Gegenerde , über die schon der antike Philosoph Philolaos spekuliert hatte.
Aber was würden die gravitativen Auswirkungen sein?
Was würde passieren, da plötzlich eine neue, gravitativ relevante Masse im Sonnensystem erschienen war?
Das Sonnensystem hatte sich über Milliarden von Jahren hin austariert – Kollisionen von Himmelskörpern im Frühstadium galten als sicher; einer solchen Kollision war beispielsweise die Existenz des Erdmondes zu verdanken. Vince fragte sich, welche astronomischen Konsequenzen dieses Phänomen nach sich zog. Er war weder Astronom noch Physiker und konnte nur die Berechnungen abwarten, die zurzeit in der Star-Corps-Akademie auf Ganymed durchgeführt wurden.
»Es ist wichtig, dass wir die Lage so lange wie möglich geheim halten«, sagte Mark Sorensen, zuständig für das Ressort Verteidigung. Die mächtigen Hände des beinahe zwei Meter großen Mannes von der Wega lagen völlig ruhig auf der ovalen Tischplatte aus Mahagoni. »Wir wissen bislang nicht, womit wir es überhaupt zu tun haben. Alles deutet zwar auf einen Planeten hin – weiß der Teufel, wie er da hingekommen ist! –, aber es könnte sich ja auch um eine gut getarnte Waffe unbekannter Feinde handeln.«
»Ich weiß nicht recht, Mister Sorensen«, sagte Vince, ohne seinen nervösen Gang zu unterbrechen. »Man wirft der alten Regierung noch immer vor, die Bedrohung der Orphanen zu lange verheimlicht zu haben. Und nun wollen wir die Menschen darüber im Unklaren lassen, dass ein ganzer Planet im Sonnensystem aufgetaucht ist.«
»Wenn wir jetzt Informationen preisgeben, dann werden die Spekulationen ins Kraut
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