Sternenfaust - 159 - Das Geheimnis von Trior
kratzte er über die Wand, hinterließ jedoch nicht den geringsten Kratzer. Am liebsten hätte er aus Neugierde seinen Nadler gezogen und geschossen, doch die Vernunft hielt ihn zurück. Wer wusste, ob es nicht irgendwen oder irgendetwas in dieser Stadt gab, das ihn dann als feindselig eingestuft und angegriffen hätte.
Die Stadt war jedenfalls einzigartig. Er ging weiter und fand überall dasselbe Bild vor: Gebäude in goldener Farbe, mit jeder Menge farblicher Abstufungen und Schattierungen. Durch transparente Flächen schimmerten exotische Pflanzen als Farbtupfer. Ein Gebäude bestand aus diskusförmigen Etagen, die David an Nester erinnerten und die mit Leitern verbunden waren. Vor seinem inneren Auge lief eine Szene ab: Ein Avoide kraxelte die Stiege empor. Krächzen empfing ihn und David erkannte zwei Jungtiere, deren Gefieder noch nicht den Glanz eines erwachsenen Vogelwesens angenommen hatten.
Schmerz durchzuckte plötzlich Davids Kopf, als hätte er zu schnell von einem eiskalten Getränk getrunken. Er stöhnte und griff sich an die Stirn.
Was … war das? Eine Vision?
David massierte die Schläfen und atmete einige Male tief durch, dann fixierte er das Gebäude ein zweites Mal und konzentrierte sich. Diesmal geschah nichts.
Seufzend schüttelte David den Kopf und ging weiter. An einer Kreuzung stand ein transparenter Kubus, der aufblitzte. Für einen kurzen Augenblick sah David ein Wesen mit Flossen und Kiemen und grauer Haut. Es glitt durch Wasser. Erneut durchzuckte ihn der Schmerz.
»Ist da wer?«, rief David. Er breitet die Arme aus und sah sich um. »Hallo? Wollt ihr mir etwas mitteilen?«
Am liebsten hätte er seine Fragen hinausgebrüllt:
Schickt mir wer Visionen?
Wer hindert mich daran, zu träumen?
Was, zum Teufel, geht hier vor?
Er riss sich zusammen und folgte der Straße. Sein Ziel war das Zentrum der Stadt. Die drei Türme und das fraktale Monument. Noch einige Male erlebte David Visionen, jeweils von stechenden Kopfschmerzen begleitet, die ebenso rasch vergingen wie sie begonnen hatten. Dabei sah er Lebewesen aller möglichen Spezies.
Ein undefinierbarer Geruch hing in der Luft, seit David die Grenze zur Stadt überschritten hatte. Erst hatte er ihn nicht zuordnen können, doch mit jeder Vision wurde dieser bewusster. In vereinzelten Höfen und auf einigen Balkonen rochen die Pflanzen, die eindeutig nicht von Trior stammten. Es war ein Geruch aufeinanderprallender Gegensätze. David kannte ihn von Treffen mit außerirdischen Lebensformen.
Diese Stadt, da war er sich auf einmal sicher, war ein Schmelztiegel galaktischer Zivilisationen gewesen.
Das musste vor langer Zeit gewesen sein, denn die Geschöpfe aus seinen Visionen waren David völlig unbekannt. Er glaubte nicht daran, dass ein so hoch entwickeltes Volk der Milchstraße den Menschen derart unbekannt sein konnte.
Davids Funkgerät gab einen Signallaut von sich. Die Sonde meldete sich mit neuen Erkenntnissen.
Möglicherweise Spuren gefunden, die auf Dylan Hughes und Melina Gallo deuten.
Das Bild einer Wärmekamera wurde gezeigt. Jemand hatte sich vor dem Gebäude aufgehalten und war dann eingetreten. Also waren nicht alle Häuser verschlossen.
»Übermittle die Koordinaten. Ich will schnellstmöglich dorthin. Zeige mir, wo die beiden sich aufhalten.«
Eine provisorische Karte der Stadt leuchtete im HUD auf.
Ein grüner und ein roter Punkt markierten Davids Aufenthaltsort und sein neues Ziel. Es lag nur wenige Hundert Meter von seinem ursprünglichen entfernt.
Er setzte sich in einen leichten Trab und achtete nicht länger auf die Gebäude um ihn herum. Er hatte die Befürchtung, dass etwas nicht stimmte. Bloß eine Ahnung, aber ein flaues Gefühl breitet sich in seiner Magengegend aus.
Eingedrungen in Gebäude , übermittelte der Funk.
Bilder einer Eingangshalle wurden übertragen. Eine Treppe führte in die Tiefe.
Akustik-Scanner ausgerichtet.
David konnte Stimmen hören, doch keine Worte erkennen. Dann ein lauter Ruf.
Unwillkürlich beschleunigte er seine Schritte.
Energieortung. Achtung Ge…
Der Kontakt brach ab.
David begann zu rennen.
*
Davids Brust schmerzte. Er hatte Seitenstiche, der Schweiß rann ihm von der Stirn und trotzdem lief er weiter. Vor ihm wuchs einer der drei Türme in den Himmel. Die Spitze des Gebäudes konnte er nicht erkennen, seit er vom Felsplateau herunter gestiegen war. Es kam ihm vor, als habe ihn jemand auf die Erde versetzt, in eine der Megalopolen des Heimatplaneten.
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